„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten“
Sandra del Pilar: Malerei
21.07.2024 — 13.10.2024
„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“ – so beginnt Bertolt Brechts 1939 im Exil veröffentlichtes Gedicht „An die Nachgeborenen“, das heute so aktuell ist wie vor knapp 100 Jahren. Vor dem Hintergrund unserer heutigen krisengeschüttelten Zeit, der politisch vielfach ausgerufenen Zeitenwende und dem wiederholt vermuteten Ende der Moderne stellte die Ausstellung die Frage nach der Bedeutung der Malerei. Dazu richtete sie ihr Augenmerk auf die Arbeit der deutsch-mexikanischen Malerin und Post-Konzeptkünstlerin Sandra del Pilar, die selbstsicher und ästhetisch präzise die Themen unserer Zeit ins Bild setzt und reflektiert.
Die für die Ausstellung zusammengestellte Werkauswahl aus den letzten 20 Jahren sollte einen Beitrag dazu leisten, den Begriff der Malerei erneut zu hinterfragen und zu präzisieren.
Sie sollte die Frage aufwerfen, ob das, was uns Gemälde heute zu sagen haben, tatsächlich so ungehört verhallen muss, wie einst der mahnende Ruf der antiken Seherin Cassandra.
Weitere Informationen zur Ausstellung
Die Ausstellung stand in einer Reihe von Präsentationen der Werke zeitgenössischer Künstlerinnen. Nach Werkschauen von Anna Franziska Schwarzbach, Margret Eicher und Doris Ziegler stellten wir 2024 das Œuvre der deutsch-mexikanischen Malerin und Post-Konzeptkünstlerin Sandra del Pilar vor, deren Werke aufgrund der weltweiten Entwicklungen heute mehr denn je traurige Aktualität und Relevanz besitzen. Mit dem brutalen Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine haben wir seit zwei Jahren wieder Krieg in Europa und es finden nur zwei Flugstunden von Deutschland entfernt Verbrechen gegen die Menschlichkeit statt.
Dies sind u. a. Themen, die Sandra del Pilar mit Blick auf die Vergangenheit ihrer beiden Heimaten – Deutschland und Mexiko – seit vielen Jahren beschäftigen. Nun sind es auch Themen unserer Gegenwart, Themen, die uns alle betreffen. Aus diesem Grund war es der Wunsch der Künstlerin, die Ausstellung mit einem Zitat aus Bertolt Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“ zu betiteln. Geschrieben zwischen 1934 und 1938 im dänischen Exil endet es mit den Worten: „Ihr aber, wenn es soweit sein wird / Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist / Gedenkt unsrer / Mit Nachsicht.“ – einer Bitte, die heute neue Gültigkeit besitzt.
Sandra del Pilar formuliert ihre aufwühlenden Sujets in einer gegenständlichen Bildsprache. Ihre Themen kreisen um die Spielarten der Macht: Macht der Deutungshoheit, Macht der Definition, Macht der Gewalt, Macht asymmetrischer Verhältnisse, Macht des Sichtbarkeitsregimes etc. Nie jedoch wird diese Macht „illustriert“, „dargestellt“ oder „abgebildet“. Immer wird sie stattdessen über die technischen Raffinessen ihrer hochkomplexen Malerei, ein von ihr entwickeltes aufwendiges Verfahren, dezidiert körperlich erlebbar gemacht. Dabei wird auch das Bild selbst als Medium und Schauplatz des „ästhetischen Ereignisses“ reflektiert.
Künstlerin & Werk
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet die deutsch-mexikanische Post-Konzeptkünstlerin und Malerin Sandra del Pilar im Spannungsfeld zwischen materieller Sinnlichkeit und inhaltlichem Diskurs. Form und Inhalt empfindet sie ebenso wenig als Gegensätze wie Bauch und Kopf, körperliches Erleben und logisches Denken oder ästhetische Autonomie und gesellschaftspolitische Positionierung. Ihr zufolge entfaltet sich jeder dieser Aspekte erst da vollumfänglich, wo er – im gemalten Bild – mit seinem Komplement zu einer Einheit verschmilzt.
Biografie
1973 | geboren in Mexiko-Stadt | |
1997 / 2004 | Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes | |
1998 | Magister im Fach Kunstgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf | |
2002–05 | Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes | |
2005 | Promotion im Fach Kunstgeschichte an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf | |
2007 | Master im Fach Malerei an der Academia de San Carlos, Mexiko-Stadt | |
2019 | Dissertation an der Fakultät für Kunst und Design an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM), Mexiko-Stadt | |
2019–22 | Stipendium für Malerei des Fondo Nacional para la Cultura y las Artes (FONCA), Mexiko |
Die Werke Sandra del Pilars wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. ehrenvolle Erwähnung beim Premio Nacional de Pintura „Ángel Zárraga“, Durango (2022); erster Platz des Kunstpreises der Stadt Hamm, Gustav-Lübcke-Museum (2018); erster Preis der Biennale Pedro Coronel (2012); erster Preis im Wettbewerb José María Covarrubias im Museo Universitario del Chopo, Mexiko-Stadt (2011).
Ihre Werke sind in zahlreichen Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen, in Galerien (Berlin, Istanbul, Miami und Mexiko-Stadt), auf internationalen Kunstmessen (u. a. Art Basel in Hong Kong, Contemporary Istanbul, CI Bloom, Art Dubai, Zona Maco, Art Cologne, Art Düsseldorf) sowie auf Biennalen in Mexiko, Deutschland, der Türkei, Frankreich, Belgien, China und Bolivien vertreten.
Sandra del Pilar lebt und arbeitet freischaffend in Soest und Cuernavaca (Mexiko). Mehr über die Künstlerin und ihr Werk finden Sie auf der Website:
Pressestimmen
Film zur Ausstellung
Film zur Ausstellung „Sandra del Pilar: Malerei“
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Audioguide
Im Audioguide zur Sonderausstellung stellen Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich, Kuratorin Manja Wilkens und die Künstlerin Sandra del Pilar ausgewählte Werke vor und informieren im Gespräch über Hintergründe und Inhalte.
Katalog
„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten“ Sandra del Pilar: Malerei
Band 32 der Schriften für das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
Hrsg. von Christian Philipsen
zur gleichn. Ausstellung:
21.07.2024 – 13.10.2024
192 Seiten, 157 Abb.
Leipzig : E. A. Seemann Verlag, 2024
ISBN: 978-3-86502-535-7
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