Ausstellung

Projekte zur Bestätigung des Neuen | PROUN
Andreas Rost & El Lissitzky

 

Der Fotograf Andreas Rost (* 1966) nahm 2016 während eines Aufenthaltes in Minsk bei nächtlichen Streifzügen durch die Stadt die Formenwelt der stalinistischen Baukunst auf, die für ihn stellvertretend für das Menschenverachtende totalitärer Gesellschaftssysteme steht. Für die Ausstellung kombiniert er diese dramatisch inszenierten Architekturfotografien mit Porträts von ekstatisch tanzenden Besucherinnen und Besuchern einer belarussischen Underground-Veranstaltung, die, so Andreas Rost, eine Jugend zeigen, die „mit unbändiger Kraft aus diesem System ausbrechen möchte“. Das war noch vor den Massenprotesten anlässlich der Wiederwahl Alexander Lukaschenkos 2020. Und vor dem Ukraine-Krieg, der die Welt seit Februar 2022 erschüttert.

 

Foto: Andreas Rost © Andreas Rost

 

Der Konstruktivist El Lissitzky (1890–1941) kreierte als Architekt, Typograf, Ausstatter, Bühnenbildner, Plakatgestalter, Maler, Zeichner, Plastiker, Fotograf, Collagist und Theoretiker ein System gestalterischer Grundlagen, das nicht nur die Kunst, sondern alle Bereiche der urbanen Wirklichkeit durchdringen sollte. Als Anhänger der Oktober-Revolution 1917 wollte er aktiv an der Gestaltung der neuen Welt mitwirken. Hierfür entwickelte er – zunächst zweidimensional auf Papier – ab 1919 ein geometrisches Formenvokabular, um eine räumliche Wirkung zu erzielen. Diese „Proune“, wie er sie nannte, bilden den Beginn seiner Visionen von der Fläche in den Raum hin zur Architektur.

„Proun“ ist ein Akronym (ein aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Kurzwort) aus dem Russischen „Pro Unowis“ und bedeutet übersetzt „Projekte zur Bestätigung des Neuen“ – diesen Titel übernahm Andreas Rost für seine Werkserie und diese Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale).
 

Raum

Der Ausstellungsraum lässt an El Lissitzkys „Kabinett der Abstrakten“ denken, das 1927 im Hannoverschen Provinzialmuseum eröffnet wurde. Hier verband er den zeitgenössischen Sammlungsraum mit seinen künstlerischen Ansichten: Schwarz-weiße Wandlamellen änderten die Raumwirkung je nach Standpunkt der Besucherinnen und Besucher und verschiebbare Kassetten und Drehvitrinen ließen variable Kombinationen in der Anordnung der präsentierten Werke zu. Passive Kunstberieselung wurde zu aktiver Wahrnehmung und Irritation. Ein Gemälde El Lissitzkys aus der Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) befand sich bis zur Beschlagnahmung als „entartete Kunst“ im Sommer 1937 im Hannoverschen Provinzial­museum als Leihgabe (heute im Philadelphia Museum of Art).

 

Foto: Falk Wenzel © Andreas Rost

 

Zeit

Wenn Andreas Rost nun fast 100 Jahre später in der Nordbox des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) eine Aufnahme des Sternenhimmels am Tag der Verhaftung der belarussischen Oppositionellen Maria Kalesnikava am 7. September 2020 auf den Boden legt und seine Fotografien teils als Tapete an die Wand bringt und mit der „Proun“-Mappe von El Lissitzky bedeckt, wirft er Kernfragen der Moderne und der Konstruktivisten der 1920er Jahre auf, die zwischen Ideal und dessen kompromissloser Durchsetzung liegen. So sucht er, im ambivalenten Spannungsverhältnis zwischen Ziel und Realität Vergleichbares im Hier und Jetzt zu finden.

Projekte zur Bestätigung des Neuen | PROUN

Andreas Rost & El Lissitzky

Kabinettausstellung
01.12.2023 — 14.01.2024

Kuratorinnen

Manuela Winter,
Dr. Jule Schaffer

Mit freundlicher Unterstützung

Kulturpartner