31. August 2022
60 Jahre Plastik-Park Leuna
Im September wird gefeiert! Seit 60 Jahren besteht der Plastik-Park Leuna als Außenstelle des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) im Grünen. Idyllisch oberhalb des Saaleufers entlang des Saale-Radwegs gelegen, werden seit 1962 Plastiken und Reliefs aus der Sammlung des Kunstmuseums präsentiert, die sich reizvoll in den gartenarchitektonisch komponierten Park der Stadt Leuna einfügen. Am 3. September 2022 findet zum Jubiläum ab 15 Uhr ein großes Parkfest mit Livemusik und Kinderprogramm sowie Führungen zu Parkanlage, Kunstwerken und Botanik statt, im Rathaus-Foyer in Leuna wird zudem bis zum 23. September 2022 die Fotoausstellung „60 Jahre Plastik-Park in Leuna“ präsentiert.
Das Parkareal hat eine bewegte Geschichte: Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet als Kalksteinbruch genutzt. Als während des Ersten Weltkriegs die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Leuna den Grundstein für das Ammoniakwerk Merseburg legte, richtete der Architekt Karl Barth (1877–1951) auf dem Gelände eine Grünanlage ein. Diese war Teil der neuen Werksiedlung Neu-Rössen, die im Stil einer Gartenstadt angelegt wurde.
Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde nicht nur die Stadt Leuna wiederaufgebaut. Der Gartenarchitekt Franz Mengel (1901–1979) entwarf auch neue Pläne für die Grünanlage an der Saale, die in der Kriegsnot unter anderem zum Gemüseanbau genutzt wurde. Mengel entwickelte abwechslungsreiche Gartenräume, die einerseits kleine Winkel bildeten, andererseits weite Ausblicke in das Flusstal und die Auenlandschaft ermöglichten, zugleich aber auch Blickbeziehungen untereinander aufgriffen. Eine vielfältige, artenreiche Bepflanzung vervollständigte den Park, der Einheimischen und Werktätigen der nahen Chemiewerke zur Erholung diente. In den VEB Leuna-Werken „Walter Ulbricht“ (LWWU), dem größten Chemiekombinat der DDR, arbeiteten zeitweise rund 30.000 Menschen.
Nur wenige Kilometer weiter und einige Jahre später wurden von der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle (heute: Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)) Aufstellungsflächen für Plastiken im Freien geschaffen. Heinz Schönemann (*1934), von 1958 bis 1968 Direktor des Museums, schreibt im Katalog des Plastik-Parks Leuna aus dem Jahr 1987, wie in der Westruine der Moritzburg durch Aufstellung von Plastiken Wirkungen „der Ausdehnung eines Raumes, seiner Begrenzung durch verschiedenartige Pflanzen und dem Wechsel des Lichts im Lauf der Tages- und Jahreszeiten“ erprobt wurden, um so neue Präsentationsräume für die Öffentlichkeit zu erschließen.
Für die Ausstellung zeitgenössischer Plastiken aus der Moritzburg hatte Schönemann stets auch die Leunaer Grünanlage im Sinn. Er gewann den Direktor der Leuna-Werke, Wolfgang Schirmer (1920–2005), für sein Vorhaben, sodass im Juni 1962 mit Unterstützung der verantwortlichen Funktionäre die temporäre Ausstellung „Plastik im Freien“ mit Werken der damaligen Gegenwartskunst eröffnet wurde, die dann als dauerhafte Einrichtung bestehen blieb.
Ausgewählt wurden Arbeiten unter anderem von Heinz Beberniß (1920–2012) und Ingeborg Hunzinger (1915–2009), die im Rahmen von sogenannten Freundschaftsverträgen für die LWWU tätig waren. Der Großteil stammte von bereits damals namhaften Künstlern wie Waldemar Grzimek (1918–1984), Fritz Cremer (1906–1993), Gustav Weidanz (1889–1970), Theo Balden (1904–1995) und René Graetz (1908–1974), die ihre künstlerische Ausbildung vor Kriegsausbruch erhalten hatten. Vertreten war mit Wieland Förster (*1930) und Lore Plietzsch (*1930) auch die jüngere Bildhauer-Generation.
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in Gesamtdeutschland intensive Bestrebungen, Kunst für alle zugänglich zu machen und öffentliche Räume durch die Aufstellung von Kunstwerken neu zu interpretieren. In der DDR zielten die kulturpolitischen Entwicklungen im Zuge des „Bitterfelder Wegs“ nicht nur darauf ab, Kunst mehr in die Lebenswelt, insbesondere die der Arbeiter, zu integrieren. Es sollte auch eine eigenständige „sozialistische Nationalkultur“ etabliert werden. Kunstwerke im öffentlichen Raum spielten dabei eine besondere Rolle, da Aufträge für deren Gestaltung zumeist staatlich vergeben wurden und damit zugleich ein gesellschaftlicher Auftrag verbunden war.
Auch die Plastiken im Leunaer Park fanden programmatische Anbindung an den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung der DDR: Aufstellung fanden Denk- und Mahnmale zur Erinnerung an die Widerstandskämpfer und Opfer des Nationalsozialismus sowie Plastiken von Arbeitern und Bauern, die die „herrschende Klasse“ des neuen Staates darstellten und den „neuen Menschen“ versinnbildlichten.
Raum gab es für Werke mit Bezügen zu mit der DDR freundschaftlich verbundenen Ländern wie der Volksrepublik China und Ghana sowie von Prominenten wie dem russischen Schriftsteller Maxim Gorki (1868–1936) und der Ikone des Sozialismus Rosa Luxemburg (1871–1919), deren Büste von Gerhard Geyer (1907–1989) jedoch 2010 Opfer eines Diebstahls wurde.
Im Park finden sich auch zahlreiche Aktfiguren. Thematisch zwar jenseits kulturpolitischer Programmatik, setzten sich die Künstler doch in der damals offiziell gewünschten allgemeinverständlichen Bildsprache mit dem Menschenbild auseinander.
Der Plastik-Park mit seinen 31 Kunstwerken aus der Zeit von 1947 bis 1967 ist heute ein kulturhistorisches Denkmal, das auf einmalige Weise Einblick in das Kunstschaffen der DDR und dessen kulturpolitischen Kontext gibt. Er ist Treffpunkt für eine Generation, die bereits seine Entstehung erlebt hat, und auch für jüngere Besucherinnen und Besucher, die nach der Wende geboren sind und denen heute die Plastiken womöglich auch noch andere Geschichten erzählen. Die Vergangenheit und Zukunft des Parks in Einklang zu bringen, ist eine spannende Aufgabe für die nächsten Jahre.