29. Juni 2020
„Diesseits bin ich gar nicht fassbar.“
Zum 80. Todestag von Paul Klee
Das Gedicht, das auf seinem Grabstein steht und aus dem diese Zeile stammt, schrieb Klee 1920. Im selben Jahr berief Walter Gropius den 1879 in Bern geborenen Maler, der 1899 nach München gekommen war und dort im Kreis des Blauen Reiters schon erste Bekanntheit erlangt hatte, an das Bauhaus. Als Lehrer von 1921 bis 1931 wurde der poetische und musikalische Klee dort von vielen Schülern geradezu verehrt. „Klee war unser Gott“, schrieb z. B. Anni Albers (1899–1994), die ihn als Schülerin der Webklasse erlebte.
Doch als das Bauhaus unter Hannes Meyer (1889–1954) sich auf die Gestaltung für die Architektur, Stadtplanung und Industrie einer neuen Arbeitswelt vor dem Hintergrund kommunistischer Gesellschaftsideale orientierte, fühlte sich der Maler Klee dort nicht mehr am richtigen Platz und ging an die Kunstakademie in Düsseldorf. 1933 wurde er im Zuge des nationalsozialistischen "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" entlassen, kehrte 1934 in die Schweiz zurück und erlebte in den Jahren vor seinem Tod 1940 von Murano aus, wie sein Werk in Deutschland von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert wurde.
Klees bildnerisches Werk ist von feiner Art, groß in seinem Geist, aber nicht unbedingt in seinen Formaten. Des Künstlers Denken führt hinter die Erscheinungen des Sichtbaren, ihm lag an der „Konstruktion des Geheimnisses“, an Prozessen und Metamorphosen. Das Entstehen von Kunst ist für ihn ein Schöpfungsprozess parallel zur Genesis, der im biblischen Mythos erzählten Erschaffung der Welt. Dieses künstlerische Denken, für das er neuartige Mittel und Formen im Kontakt mit der Natur, der Musik (er spielte selbst Geige), Dichtung, Philosophie und den Religionen fand, ebenso wie mit der Kunst seiner Gegenwart, machen Klees Werk einzigartig.
Alois J. Schardt (1889–1955), der 1926 die Leitung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) übernommen hatte, kannte Klee bereits aus seiner Tätigkeit für die Nationalgalerie in Berlin und am Festspielhaus in Hellerau bei Dresden. Klee lebte im nahe gelegenen Dessau, wohin das Bauhaus 1925 von Weimar, dort vertrieben von den Nationalsozialisten, umgezogen war. Nun endlich kamen sieben Werke von ihm in die Sammlung – die Gemälde Flussbaulandschaft (1924) und Wintergarten (1925) als Ankauf, weitere als Leihgaben. 1930 gelang Schardt der Ankauf von zwei weiteren Werken, Der Geist des Don X (1927) und Abenteurerschiff (1927). Damit stand „Halle mit in erster Reihe“, wie Klee nach dem Ankauf im September an Schardt schrieb.
Alle vier Gemälde aus dem Besitz des Museums wurden 1937 beschlagnahmt. Flussbaulandschaft befindet sich heute in der Kunsthalle Karlsruhe, Abenteurerschiff in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Der Geist des Don X erwarb Ferdinand Möller, einer der mit dem Verkauf der Werke aus der Aktion „Entartete Kunst“ beauftragten Händler; der Verbleib des Werkes ist heute unbekannt. Wintergarten ist verschollen. Die Leihgaben erhielt Klee 1933 zurück. Nur das Gemälde Phantastische Flora (1922) befindet sich noch heute als Leihgabe im Museum.
1961 gelangte das Aquarell Artiges Kunststück (1918) in die Sammlung des Museums, sodass zusammen mit einigen Druckgrafiken Klees Werk, das 1930 im Museum einmal durch ein Konvolut ausgewählter Arbeiten repräsentiert worden war, heute zumindest durch zwei schöne, charakteristische Werke vertreten ist.
Phantastische Flora mit dem leuchtenden, grenzenlosen Farbraum, dem an musikalische Notationen erinnernden Liniengerüst und den sich darin nach oben entwickelnden Pflanzenwesen ist eines der schönsten Beispiele für Klees schöpferische Vorstellung, die analytisches und mystisches Denken verbindet. Es ist Teil der Dauerausstellung und kann in unserem virtuellen Rundgang entdeckt werden.
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Mehr über unsere historische Sammlung und ihren schmerzlichen Verlust gibt es auf den Seiten zu unserer vergangenen Sonderausstellungzu erfahren: