27. Juli 2022
Hans Finsler,
Heinrich KOch,
Gerda Leo,
Walter DanZ
Holz ist aus der Bildenden Kunst nicht wegzudenken: als Material für Plastiken, als Druckstock für Holzschnitte, zum Durchrieb bei einer Frottage und unverzichtbar in der Weiterverarbeitung als Papier – der gängigste Träger für alle druckgrafischen Techniken, Fotografien und Handzeichnungen. Aber darum soll es heute nicht gehen. Es soll auch nicht um den Wirtschaftsfaktor Holz und seine Bedeutung als Rohstoff oder um ökologische Aspekte wie Massenrodungen oder Baumsterben durch Klimawandel gehen. Das Thema dieses Beitrages ist Holz als Motiv in der Fotografie – ein immer wiederkehrendes relevantes Sujet seit Beginn der 1930er Jahre. So sehr, dass Holz als Motiv in der Bildenden Kunst und in der Literatur in der GND, also der Gemeinsamen Normdatei, unter der Nummer 4737040-3 gelistet ist.
Hans Finsler (1891–1972)
Sechs Jahre nachdem Hans Finsler von der halleschen Burg Giebichenstein als Leiter der Fotoklasse an die Züricher Kunstgewerbeschule gewechselt war, erhielt er von der Industrietischlerei Winckler den Auftrag, Aufnahmen für das Firmenportfolio anzufertigen.
Das „Holzlager“ zeigt das Holz noch als Baum, nur geschlagen, begradigt und wohl gestapelt, aber noch nicht weiterverarbeitet. Aus der starken Froschperspektive, von unten nach oben, türmt sich fast schon ungeheuerlich hoch der Stapel auf. Nur eine kleine Ecke links oben lässt dem Himmel Raum. Wir haben unendlichen Zugang zur Ressource, scheint die Firma vermitteln zu wollen. Finslers gewählter Bildausschnitt unterstreicht das: Die angeschnittenen Stämme gehen sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite über den Bildrand hinaus und deuten an, dass der Stapel nicht nur in der Höhe, sondern auch in der Breite großes Ausmaß besitzt. So findet sich neben der bereits erwähnten kühnen Perspektive, der Isolation des Gegenstandes aus der Umgebung und dem Bildanschnitt ein weiteres Element des „Neuen Sehens“, für das Hans Finsler steht: Baumstämme lassen sich hervorragend stapeln, was dem Prinzip der (gesehenen) Reihung entspricht. Das fand Finsler auch beim Holzlagerplatz auf dem Firmengelände. Die Baumstämme sind nun zu Latten, zu Baumaterial verarbeitet. Wohl aneinandergereiht stehen sie da. Im linken vorderen Bildteil verschattet und nach links geneigt, im hinteren Bildraum leicht nach rechts geneigt. Ein Wald aus Diagonalen in all ihrer linearen Geputztheit tut sich auf.
Heinrich Koch (1896–1934) und
Gerda Leo (1909–1993)
Heinrich Koch, der Nachfolger von Hans Finsler als Leiter der Fotoklasse an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, setzte sich mit Holz u. a. in Form von gegatterten Baumstämmen auseinander. Auch er bediente sich, wie Finsler, der Sprache des „Neuen Sehens“. Die Stämme sind schon in einzelne Bretter zersägt, allerdings wurden sie wieder zusammengeführt und stellen ihre Herkunft wieder her. Reihung und Wiederholung erhalten auf diese Art eine weitere Komponente – sie imaginieren, was war (Baum im Wald), und weisen darauf hin, was sein wird (Holz als Baumaterial).
Mit dem diagonal nach hinten lagernden Holz verschiebt Koch den Fluchtpunkt in den Raum außerhalb der Fotografie. Dadurch erzielt er, zusammen mit dem Beschnitt der Stapel, eine starke Tiefenwirkung. Wie Finsler lässt er die eigentliche Größe seines Motivs im Dunkeln – wie das Sprichwort schon sagt: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Koch ging es um Struktur: Das Motiv ist Mittel zum Zweck. Der Reiz, das Runde ins Eckige einzupassen, die strukturelle Schönheit der Dinge zu erkennen und geometrische Muster zu finden – all das ist das Ansinnen Kochs in dieser Aufnahme.
Diese beiden Aufnahmen von Heinrich Koch und Gerda Leo, der Finsler-Schülerin und -Assistentin an der Burg, halten einen anderen Aspekt des Holzes fest. Sie zeigen die Funktion als Brennholz. Aus der Ferne, bei Leo in extremer Vogelperspektive, stapeln sich die Scheite und stapeln sich und stapeln sich. Schließlich muss man über den Winter kommen. Gerda Leo scheint auf den ersten Blick eine situative Szenerie auf einem Hof am halleschen Gut Gimritz festgehalten zu haben: Eine kleine Gruppe von Menschen interagiert. Die heimlichen Stars der Fotografie sind jedoch die beiden chaotisch arrangierten Holzhaufen, von denen einer sogar beschwert werden musste. Helle und dunkle Partien wechseln sich ab, wie Igelstachel wirken sie. Heinrich Koch thematisierte in seiner Aufnahme zwei weitere Aspekte: Holz als Baumaterial in Form von zwei Blockhütten, deren Erdgeschosse jedoch durch die immensen Brennholzstapel fast in voller Gänze verdeckt sind, und Holz in seiner Reinform als Baum oder besser: Wald im Hintergrund. Alle Ebenen vereint in einem Bild!
Walter Danz (1904–1986)
Dem halleschen Fotografen Walter Danz widmete die damals noch Staatliche Galerie Moritzburg 1979 die dritte Ausstellung zur Fotografie überhaupt. Danz war zu diesem Zeitpunkt 75 Jahre alt und blickte auf eine lange Karriere zurück, deren Einfluss tief verwurzelt ist im „Neuen Sehen“ – in persona mit Hans Finsler. Sichtbar wird dieser Einfluss in den drei Fotografien, die in starker Nahsicht Holzfragmente zeigen. Danz fasste den Bildausschnitt derart eng, um den Blick auf die Struktur zu schärfen. Hinweise auf die Umgebung suchen die Betrachtenden vergeblich.
Das „(alte Holz)“ ist ein sehr glattes, durchzogen von einem tiefen Spalt, dessen linker Rand von gleißendem Licht beschienen wird – umso schwärzer wirkt der Raumtiefe erzeugende Bruch, der mehr andeutet als preisgibt. Mit bestechender Schärfe schildert Danz jedes noch so kleine Struktürchen: Regelmäßigkeiten lassen geometrische Muster erkennen. Demgegenüber stehen die punktuellen Moosbewachsungen, die dem Glatten etwas Relief verleihen. Dieser kleine Ausschnitt eines Stück Holzes vereint die vielfältigen Strukturen, wie sie in der Natur vorkommen: glatt – aufgeworfen, geordnet – chaotisch, bewachsen oder verletzt … Andere Strukturen weist das „Hirnholz“ auf. Das erklärt sich aus der Eigenschaft von Hirnholz, da es quer zur Faserrichtung geschnitten wurde. Es wurde wie das alte Holz vom Menschen bearbeitet. Der gerade Schnitt legt allerdings aufgeworfenes Holz frei. Tiefere und flachere Furchen wechseln sich ab, Jahresringe werden sichtbar und mehr oder weniger regelmäßige Rechtecke treten zu Tage. Die Lineatur des Holzes offenbart sich in all ihrer grafischen Schönheit.
Diese dem Holz immanente grafische Struktur erzeugt den Reiz für Fotografin und Fotografen: ob im Einzelstück oder in der gestapelten Masse, ob unbearbeitet oder bearbeitet, ob liegend oder stehend. So vielfältig Holz in all seinen Erscheinungsformen ist, so vielfältig sind auch die Fotografien. Nah- oder Fernsicht, Frosch- oder Vogelperspektive, als Teil oder als Ganzes, beleuchtet oder verschattet – Holz bietet der Kamera und den sie bedienenden Fotografinnen und Fotografen die ganze Palette an gestalterischen Möglichkeiten.