26. August 2022

Republik Xinjiang: Multikulturelle Einflüsse auf Chinas Münzwesen

 

Im äußersten Nordwesten der heutigen Volksrepublik China gelegen, ist die partiell autonome Republik Xinjiang flächenmäßig eine der größten Teilrepubliken des Landes. Hier entwickelte sich über Jahrhunderte die blühende Kultur der Uiguren, einer turksprachigen muslimischen Bevölkerung, die durch die Seidenstraße über gute Handels­ver­bindungen zum Westen der Welt verfügte. Xinjiang gilt als Verbindung zur westlichen sowie arabischen Welt und steht beispielhaft für das multikulturelle China. Jedoch steht der ehemals autonome Status der Republik seit 1949 kontinuierlich unter einer innenpolitischen Erosion, da bereits die Regierung unter Mao Zedong (1893–1976) versuchte, den Einfluss der dort heimischen Uiguren zu begrenzen. Seit 2017 mehren sich die Berichte über strukturelle Menschen­rechts­ver­letzungen und über Versuche, die muslimische Kultur der Uiguren systematisch aus der Geschichte Chinas auszuradieren. Dabei finden sich gerade in Xinjiang maßgebliche Hinweise auf kulturelle Diversität, wie sie in anderen Teilen des Landes nicht bzw. nicht mehr auszumachen sind. Sei es die Kulturrevolution unter Mao oder die Bestrebungen der modernen Kommunistischen Partei Chinas: Das Ziel scheint es zu sein, eine chinesische Monokultur zu erfinden und um jeden Preis durchzusetzen. Grund genug, sich einmal mit der reichhaltigen Münzgeschichte der Republik auseinanderzusetzen, da diese für den chinesischen Raum äußerst reichhaltig und kulturell prägend war und ist.

 

 

Die Sammlung chinesischer Münzen des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) ist die zweitgrößte ihrer Art in Deutschland. Sie umfasst nicht nur Münzen und vormünzliche Zahlungsmittel Xinjiangs, sondern Exemplare aus dem gesamten chinesischen Raum. Die ältesten Objekte datieren bis ins 6. Jahrhundert v. Chr. zurück. Insgesamt erstreckt sich die Sammlung bis in die heutige Zeit. Damit ist die Spannweite für eine einzelne Weltregion eine der größten, die im Museum zu finden ist. Die angesprochenen vormünzlichen Währungen sind dabei exemplarisch als Spaten- und Messermünzen vertreten. Dabei handelt es sich um Gegenstände in Form von Spaten und Messern, welche auch maßgeblich von Menschen benutzt wurden, die solche Gegenstände in ihrem Alltag verwendeten.

 

Beachtlich ist, dass die chinesischen Währungen bis ins frühe 17. Jahrhundert, der Zeit der großen Eroberungen in Südamerika, auf Bronze und das eher untypische Eisen angewiesen waren. Dies lag daran, dass es in China weder große Silber- noch Goldvorkommen gab, die den hohen Bedarf für Land und Leute gedeckt hätten. Erst die Silberimporte aus den Kolonien Europas änderten die Bestandteile der chinesischen Münzen geringfügig. Ebenso muss bedacht werden, dass die europäischen Prägetechniken in China weitestgehend unbekannt waren. Münzen wurden in einfacher Form gegossen, was leicht zu fälschen war. Dementsprechend war die staatliche Kontrolle der Währungen sehr hoch. Auf den einfachen runden „Cash“-Münzen, einer Münzform, die vom Jahr 221 v. Chr. bis ins Jahr 1912 reichte, waren die Hoheitszeichen ihrer Münzherren abgebildet sowie die Symbole für Material, Herstellungsort und, ab dem 10. Jahrhundert, die Zeichen für Regierungsdevisen der jeweiligen Kaiser. Damit lassen sich die chinesischen Rundmünzen nicht nur nahezu exakt datieren, sondern sind auch das Zahlungsmittel mit der längsten zusammenhängenden Historie weltweit.

 

 

Seit dem 6. Jahrhundert finden sich uigurische Spuren in Xinjiang. Nachdem das uigurische Großreich in der Mongolei im Jahr 840 vollständig vernichtet wurde, siedelte die verbliebene Bevölkerung ins heutige Xinjiang über und gründete einen eigenständigen Staat, der schnell zum Vasall der Kara-Kitan wurde, einem vermutlich mongolischen Reich in der Mandschurei. Der Islam als Staatsreligion kam 1250 nach Xinjiang und ist seitdem auch aus den Münzen nicht wegzudenken. Besonders gut erhaltene Exemplare des 18., 19. und 20. Jahrhunderts sind Teil der Sammlung unseres Museums. Die Silbermünzen in der Maßeinheit „Tael“ sind exemplarisch für die bereits angesprochene multikulturelle Prägung des Landes, da sie sowohl chinesische als auch arabische Schriftzeichen aufweisen und damit zwar die Zugehörigkeit Xinjiangs zu China belegen, ihren muslimischen Ursprung aber im gleichen Maße betonen. Dabei sind besonders viele Exemplare der Solde für chinesische Truppen erhalten, da Xinjiang als Grenzregion stets mit einer hohen Anzahl von Soldaten besetzt war und dort dementsprechend viele Silbermünzen als Sold hergestellt wurden. Diese Münzen zeigen, neben arabischen und chinesischen Schriftzeichen auf der Vorderseite, oftmals einen geschwungenen mythologischen Drachen auf der Rückseite.

 

 

Die Einflüsse des Islam in Xinjiang sind allerdings nicht durchweg uigurischen Ursprungs. Der aus dem Khanat Khogand stammende Kriegsherr Yakub Beg (1820 oder 1826/27–1877), der im 19. Jahrhundert große Teile Xinjiangs eroberte, ließ dort in seinem eigens in Khasgar, einer Handelsstadt direkt an der Seidenstraße, ausgerufenen Khanat ebenfalls Münzen prägen und formte eine Allianz mit dem Sultanat in der heutigen Türkei. Die kleinen Silbermünzen, „Tanga“ genannt, wiesen zu diesem Zeitpunkt nur arabische Schriftzeichen auf, wurden maßgeblich in Kashgar geprägt und zirkulierten großflächig in ganz Xinjiang, weswegen viele Exemplare heute noch gut erhalten sind. Kashgar ist darüber hinaus vielfach als Münzstand in Erscheinung getreten und Herkunftsort vieler verschiedener Währungen Xinjiangs.

 

 

Unterstrichen wird die kulturelle Zweigleisigkeit beispielhaft mit den Münzen zur Gründung der Republik China im Jahr 1912, die ebenfalls in Xinjiang, genauer gesagt in der Hauptstadt Dihua (heute Ürümqi), hergestellt wurden. Zu sehen sind einerseits die typischen Symbole für Nominalwert und Material, aber auch die Symbole „Ren“ und „Zi“, welche das Jahr 1912 eindeutig belegen. Als Material wurden sowohl Silber als auch Kupfer verwendet, wobei das im Museum erhaltene Exemplar aus Kupfer besteht und den Gegenwert von 10 Wen aufweist. Der Nominalwert wird dabei in der Regel von den arabischen Schriftzeichen wiedergegeben, während die Hinweise auf Münzherren und Münzstand in chinesischer Sprache aufgetragen sind.

 

 

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Münzen Xinjiangs innerhalb der chinesischen Währungsgeschichte ihren ganz eigenen Platz einnehmen. Sie erzählen der Nachwelt eine Geschichte, die maßgeblich durch Einflüsse außerhalb des Reichs der Mitte geprägt ist. Auch wenn die derzeitige chinesische Regierung alles versucht, diese Einflüsse zu negieren und verschwinden zu lassen, so sind die Währungen Xinjiangs ein Faktor, der auch diese sträflichen Bemühungen einer zweiten Kulturrevolution überleben wird. Die Münzen Xinjiangs belegen eine vielfältige und reichhaltige Kulturgeschichte, die ihresgleichen sucht. Umso wichtiger ist es, die Münzen langfristig einem größeren Publikum zugänglich zu machen.


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