24. Dezember 2021
Zeugnis bedeutender barocker
hallescher Goldschmiedekunst:
Die Weihnachtsgeschichte in drei Bildern in edlem Silber
Im Festzimmer des Talamtes ist sie zu entdecken, die in feinem Silber um 1700 als Gewandung eines Humpens getriebene Szenen der Weihnachtsgeschichte von August Hosse. Der Goldschmied (1657–1732) ist einer der bedeutendsten halleschen Künstler des Barock. Er arbeitete für Auftraggeber in ganz Europa. Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) verfügt über eine ganze Reihe seiner Werke, insgesamt 12 Arbeiten: 6 Humpen (der prachtvollste mit Darstellung der Weihnachtsgeschichte konnte 1996 erworben werden), 2 Klingelzüge aus dem Festsaal des alten Rathauses, 3 Becher. Die zweitgrößte Kollektion verwahrt die Rüstkammer im Moskauer Kreml. Hosses Arbeiten sind darüber hinaus in königlichen und fürstlichen Sammlungen in Frankreich, Schweden, Bayern und Berlin sowie in der Synagoge in Amsterdam oder im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg und in verschiedenen Kirchgemeinden überliefert. Zu den wichtigsten Aufträgen von einheimischen Fürsten gehört z. B. die 1713 für die Residenz in Sangerhausen geschaffene Prunkbibel. Von ihm stammen aber auch Becher im Silberschatz der Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle (der Becher aus dem Jahr 1708 ist derzeit im Gerichtszimmer ausgestellt), die Taufschale aus der Moritzkirche oder die Zepter der Universität. Seine Werke zeigen meist die Formen des üppigen Spätbarocks.
Der Meister gehörte zu den angesehensten Bürgern der Stadt. Er war einer der vier Vorsteher der Gemeindeviertel, in die damals die hallesche Stadtgesellschaft eingeteilt war. Durch sein Amt als Ratsverwandter wurde er mit den vom Rat zu vergebenden Arbeiten betraut. 1708 wurde er dessen Mitglied und wirkte als Richter im städtischen Gericht (Vierherrenamt, das er von 1714 bis 1732 innehatte). Sein Wohnhaus befand sich am Großen Berlin. August Hosse prägte das künstlerische Erscheinungsbild der Stadt Halle (Saale) in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs und neuer geistiger Haltung, die sich durch die Gründungen der Universität 1694 und der Franckeschen Stiftungen 1698 auszeichnete. Hosse wirkte in einer Zeit in Halle, als sich die Goldschmiedekunst immer stärker auf die potenten Residenzen konzentrierte.
Der Humpen war von Anfang an nicht zum tatsächlichen Gebrauch bestimmt und dürfte nur bei besonderen Anlässen wirklich Verwendung gefunden haben. Dekorativ aufgestellt wurden derartige Gefäße zum Ausdruck von Vermögen und Kunstsinn ihres Besitzers. Der repräsentativen Größe entspricht das aufwendige Bildprogramm, das den Mantel umzieht und auf dem Deckel weitergeführt wird.
Die Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament erzählt die Geburt und die ersten Lebensmomente von Jesus von Nazareth. Im ersten Bild stellte Hosse dar, wie das neugeborene Jesuskind in der Krippe eines Stalls auf Stroh gebettet ist und von drei Hirten, die durch die Attribute Hirtenstab und Sackpfeife charakterisiert werden, angebetet wird. Neben den knienden Hirten mit ihrem Hund sind Maria und Josef dargestellt. Marias Hände weisen auf das Christuskind, während Joseph mit einem Krug Wasser an der Seite hantiert.
Im Hintergrund symbolisiert der gesattelte und am Stroh knabbernde Esel die Reise der Familie nach Betlehem. Fast versteckt ist noch der Kopf einer ebenfalls fressenden Kuh zu sehen. Die scheinbar dummen Tiere, Ochse und Esel, gehörten schon in frühchristlicher Zeit zur Weihnachtsgeschichte. Sie kennen ihren Herrn und den Ort der Nahrung. Sie sind damit klüger als die Menschen, die trotz ihrer Vernunft dafür blind sind. Allegorisch gilt der Ochse als Sinnbild für das Volk Israel, auch wenn Hosse auf die Darstellung des üblichen Jochs verzichtet. Der Esel gilt als Symbol der Heiden. Dies bedeutet, dass das Judentum den Herrn zwar wahrnimmt, ihn aber nicht in dem Kind erkennt, während die Heiden sich dem richtigen Glauben zuwenden. Der kappadokische Mystiker Gregor von Nyssa (um 335– nach 394) sah in diesem Motiv den Gottessohn, der die an die Gesetze gebundenen Juden und die vom Götzendienst belasteten Heiden von ihren Lastern befreit.
Die zweite, durch Portale abgegrenzte Szene zeigt die Anbetung der Hirten mit ihrer Schafherde. Im Hintergrund ist das Stallgebäude zu sehen. Im Himmel schwebt auf gewaltigen Wolken der Engel, der die frohe Botschaft verkündet, dass in Bethlehem der Heiland, der Messias, geboren ist.
Die dritte Szene stellt die Anbetung des Jesuskindes durch die Heiligen Drei Könige vor. Maria sitzt mit dem Kind im Zentrum der Komposition. Josef steht im Hintergrund. Links und rechts von Maria überreichen die drei Weisen aus dem Morgenland ihre Geschenke, Gold, Weihrauch und Myrrhe, und huldigen damit dem Christuskind und anerkennen die höchste Stellung. Die exquisiten Gaben befinden sich in kostbaren barocken Goldschmiedearbeiten. Im Hintergrund ist der Stern von Bethlehem zu sehen, der die Weisen zum Geburtsort Jesu führt. Die Weisen gelten als Repräsentanten der damals bekannten drei Erdteile Europa, Asien und Afrika.
August Hosse ist vor allem durch seine außergewöhnlich fein gearbeiteten und mit reichen figürlichen Szenen geschmückten Deckelhumpen berühmt, die zu den zweifellos beeindruckenden Werken der barocken Goldschmiedekunst in Deutschland gehören. Er entwickelte damit einen eigenständigen und vorbildhaften Humpen-Typ. Die Vielzahl der weltweit überlieferten Exemplare und ihre immer wiederkehrende Konstruktion lassen eine frühe arbeitsteilige bzw. serielle Fertigung annehmen. Dies ist in seiner Zeit in den angewandten Künsten Avantgarde und findet lediglich Parallelen im Produktionsprozess der frühen Meißner Porzellane. Insbesondere in den Humpen erreichte Hosse eine dekorative Finesse, die durch die Individualität der Figuren und ihre plastische Wirkung getragen wird.
Das Weihnachtsmotiv des Humpens ist übrigens an der Museumskasse als Lichtstreifen zu erwerben.