23. April 2021
Wir trauern um den Fotografen Erasmus Schröter (1956–2021)
Er war ein Großer seines Fachs, ausgestattet mit Talent, Humor und einem Blick für das Besondere, das sich im Alltäglichen wie im Abseitigen zeigen kann. Am Sonntag, 18. April 2021, verstarb der Fotograf Erasmus Schröter, geb. 1956 in Leipzig, im Alter von nur 64 Jahren.
Die Vielfalt seiner Bildwelten lässt uns eintauchen in ein Leben, in dem die Fotografie als Kunst, als Bild und als Medium zur Auseinandersetzung mit der Welt stets eine Hauptrolle spielte: von frühen Infrarotaufnahmen des Nachtlebens über einprägsame Porträts von Passanten, Subkulturen und Theaterkomparsen hin zu lichtinszenierten Bunkern.
Erasmus Schröter studierte von 1977 bis 1982 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst und arbeitete anschließend als freier Fotograf. 1985 zog er nach Hamburg und veröffentlichte in Zeitschriften wie Spiegel, Stern und ZEIT, bevor er 1997 gemeinsam mit seiner Frau, der Malerin und Grafikerin Annette Schröter, nach Leipzig zurückkehrte. Schröter war auch international erfolgreich, Einzelausstellungen wurden zuletzt in der Kunstsammlung Jena (2019) und im Museum der bildenden Künste Leipzig (2018) gezeigt.
Als Teil der großen Präsentation „Ins Offene. Fotokunst im Osten Deutschlands seit 1990“ durfte das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) zuletzt 2018 Werke von Erasmus Schröter ausstellen.
Weitere Informationen zur Sonderausstellung
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Die Porträts aus der Serie „Contest“, 2011, zeigen junge Männer aus der Gothic Szene, deren ausdrucksstarke Selbstinszenierungen mit Schminke, Kostümierung und Piercings Schröter gekonnt ins Bild zu bannen wusste. Das vorherrschende Schwarz arbeitete Schröter heraus und legte es in seiner Fragilität und Vehemenz offen, indem er seine Modelle vor farbigen Hintergründen aufnahm.
Dass die Verbindung zum Haus lange vorher bestand und bis in die frühen Anfangsjahre der Sammlung reicht, zeigt eine Schenkung des Künstlers aus dem Jahr 1991. Aus Schröters Werkgruppe der Infrarotaufnahmen stammen sechs Motive, die Situationen, Passanten, das Nachtleben abbilden. Fast magisch verfremdend scheinen diese Fotos, „deren Protagonisten“, so T. O. Immisch, der ehemalige Kustos der Fotografischen Sammlung des Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), „aus der sie umgebenden Dunkelheit merkwürdig von innen zu leuchten scheinen.“ So schweben drei paillettenbesetzte Gestalten in „Auf einem Tanzturnier“ (1980) in den Raum hinein, während auf einem anderen Bild ein Lama in einen Ballsaal geführt wird. Die Betrachterinnen und Betrachter werden mitgenommen auf eine imaginäre Reise, die Realität wird durch Schröters Blick durch die Kamera in einen teils rätselhaften visuellen Assoziationsraum überführt.
Erasmus Schröter war nicht nur Fotograf, sondern auch Sammler: Flohmarktstreifzüge boten einen reichen Fundus für seine Sammlungen von DDR-Kinder-Spielzeug, bunten Serviertabletts und Schwarz-Weiß-Postkarten – Elemente, die sich in seinen Ausstellungen als Motive und Objekte wiederfinden. Sein Buch „Bilder der Heimat. Die Echt-Foto-Postkarten aus der DDR“ (Berlin 2002) hebt die Beschäftigung mit den Bildern, die sich Menschen machen, die sie rezipieren und zirkulieren auf eine Meta-Ebene.
Weitere Informationen zum Buch
Auf spielerische Weise zeugt dieser Werkbereich von einer tiefen Auseinandersetzung mit der eigenen sowie der gesellschaftlichen Vergangenheit und dem Sinn und Zweck fotografischer Bilder im Umgang mit eben jener Vergangenheit im Augenblick ihrer Gegenwart – wohlgemerkt ohne dabei den Humor und die Lust am Bild aus den Augen zu verlieren.
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Interessant sind für mich die Motive, die das Lebensgefühl der DDR-Epoche spiegeln.
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Erasmus Schröter |
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‚Hier haben wir zu 80 Prozent Sonne, es regnet nie.‘ Das war gewiss auch das Motto der DDR-Ansichtskartenproduktion.
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Erasmus Schröter |
Diese Freude an der Fotografie weiter mit uns zu tragen, sie trotz digitaler Bilderfluten nicht aus den Augen zu verlieren und das fotografische Bild als Erlebnisraum zu verstehen – es ist nicht zuletzt diese einfache und doch so wichtige Erkenntnis, die uns das Werk von Erasmus Schröter nachhaltig zu vermitteln mag.
Wir trauern um einen großen Fotografen, von dem wir gern noch mehr gesehen hätten.