Heinz-Günter Prager: Borobudur Projekt
Dem Verhältnis von Zahlen, geometrischen Figuren und Weltbildern auf der Spur
Borobudur, das weltgrößte buddhistische Heiligtum in Zentraljava, ist ein offener Tempelberg, der sich auf verschiedenen Ebenen von Pilgern beschreiten lässt. Wie fasst man eine spirituell-architektonische Erfahrung in Worte? In Bilder? Wie kann man das Erlebnis Borobudur vermitteln?
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Unabhängig von allen formalen Querverbindungen scheint mir gerade das Zur-Ruhe-Kommen-Wollen und das In-sich-selbst-Versenken-Können ein zentrales Anliegen menschlicher Existenz und menschlicher Vollendung zu sein.
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Heinz-Günter Prager
Der Bildhauer und Zeichner Heinz-Günter Prager (*1944) widmet sich seit den 1970er Jahren in seinem Schaffen dem Verhältnis von Zahlen, geometrischen Figuren und Weltbildern. Der Grundriss des Borobudur Tempels faszinierte ihn besonders. Mitte der 1990er Jahre setzte er sich intensiv mit der Anlage auseinander und entwarf ein fotografisches Konzept, um dem Wesen des Borobudur auf die Spur zu kommen. Der um 800 entstandene Tempelberg setzt sich aus mehreren Ebenen zusammen: unten Wandelgänge mit Reliefs, weiter oben offene Terrassen mit Stupas, an Begräbnishügel gemahnende, skulpturale Zentren der Buddha-Verehrung. In ihrer großartigen, komplexen Struktur ist die Tempelanlage einzigartig.
„In diesem architektonischen Geflecht sind die Zahlenverhältnisse von 3, 4 und 9 eng miteinander verbunden, ebenso die geometrischen Figuren von Quadrat, Kreis und Kreuz“, so Prager. Ihn faszinieren die sich in dem Tempel zeigenden Zahlensysteme ebenso wie wiederkehrende kulturübergreifende Archetypen: Achsenformationen, die Begegnungen von Erde und Himmel, Materiellem und Transzendenz symbolisieren. „Lassen sich“, fragte Prager, „das Zahlensystem des Borobudur, die darin wohnende Spiritualität durch das Begehen des Tempelberges mittels einer Fotosequenz erschließen? Läßt sich das erlebbar und sichtbar machen?“
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Zahlenverhältnisse sind immer Ausdruck innerer und äußerer Proportionen, sie führen zu Weltbildern und Weltvorstellungen.
“Heinz-Günter Prager
Auf Basis mathematischer Zahlwiederholungen und geometrischer Formen entsteht eine Mappe mit 93 Fotografien, die dem feinmaschig verwobenen, spirituellen und architektonischen Geflecht des Tempels in einer fotografischen Begehung und Dokumentation nachspürt. Die 4 Galerieebenen unterteilt Prager in je vier Abschnitte à 4 Fotografien, die 3 Terrassen in je 3 Sequenzen à 3 Fotografien, hinzu kommen eine Gesamtansicht des Tempelbergs und eine Ansicht der großen Stupa. Die handgefertigten Barytabzüge folgen im Format 48 x 48 cm (auf Basis der Zahl 4 und der Quersumme 12) der quadratischen Grundstruktur der Anlage.
In Pragers Projekt verbinden sich konzeptuell die Medien Skulptur, Architektur und Fotografie: Von der reliefartigen ersten Ebene bis hin zu nahen Ansichten ins Innere der Steinkonstruktion des Tempels greifen die Fotografien des Borobudur die der Anlage eigene „Intention des Wanderns, des Gehens, des Meditierens“ (Prager) auf.
Ein Exemplar des auf 12 Stück limitierten Mappenwerks „Borobudur Projekt“ konnte als Schenkung in den Bestand der Fotografischen Sammlung des Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) aufgenommen werden. Es handelt sich um eine in den Werkstätten Edmund Schaefer, Köln, handgebundene Kassette mit 93 nummerierten Fotografien, entstanden im März und April 1995, begleitet von einem einführenden Text und einem Gedicht von Eugen Gommringer.
Sammlungsübergreifend gelingt mit der Schenkung ein Brückenschlag zu den im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) vorhandenen skulpturalen Arbeiten des Künstlers. Ein Anlass, der nicht zuletzt vor dem anstehenden 30-jährigen Jubiläum des Tempels als UNESCO Weltkulturerbe in diesem Jahr erfreut.
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borobudur ist der schnittpunkt aller koordinaten / borobudur ist das grosse mandala / borobudur ist der grosse plan / borobudur ist die grosse konstellation
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Ausschnitt aus Eugen Gommringers Gedicht „borobudur ist der endlose satz“
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