20. Februar 2021

Alaune: Wie ein Ortsteil zu seinem Namen kam

Zwei Zeichnungen aus dem Nachlass von
Georg von Knorre geben Aufschluss

Entdeckungen #5

 

Jedes Kunstmuseum besitzt Werke, die einen nicht ganz so großen künstlerischen Wert haben, aber als historische Dokumente durchaus von Bedeutung sind. So verhält es sich in unseren Sammlungen beispielsweise mit zwei Blättern aus der Schenkung der Familie von Knorre aus dem vergangenen Jahr. Der Oscherslebener Arzt und Familienforscher Georg von Knorre hatte Material über den halleschen Maler Carl Adolf Senff (1785–1863) und dessen Familie gesammelt, welches nun in unserem Museum aufbewahrt wird.

Blog-Beitrag zu Carl Adolf Senff

Auf der ersten Zeichnung ist ein Herr dargestellt, den Bart und Brille älter wirken lassen, als er ist. Skeptisch und herausfordernd blickt er den Zeichner durch seine schmalen Brillengläser an. Die selbstbewusste Haltung wird durch die verschränkten Arme und den Zigarillo mit Mundstück, den der Dargestellte für die Zeit des Porträtierens nicht beiseite gelegt hat, noch verstärkt. Er trägt über Hemd und Weste eine Arbeitsschürze und auf dem Kopf eine Kappe mit Schirm. Lässig lehnt er an einem großen Holzbottich, der mit Metall ausgeschlagen ist und in den rechts eine Rohrleitung mit Absperrhahn führt. Der gesamte Habitus des Dargestellten entspricht dem akademisch gebildeten Jungunternehmer seiner Zeit, der die studentischen Wesenszüge noch nicht abgelegt hat – und bei der Produktion selbst mit anpackt.

 

Am oberen Blattrand findet sich eine Widmung: „Meinen herzlichsten Glückwunsch zum Geburtstage und erlaube mir als kleines Andenken das wohlgelungene Portrait eines Herrn Senff zu Morl, früher in der Linkstraße zu Berlin zu übereignen. Berlin 25 October 1854. A. Stange“. – Außerdem ist das Blatt unten rechts signiert: „A. Stange fec.“

Es handelt sich um Otto Senff (1823–1901), einen Neffen von Carl Adolf Senff, der nach seinem Chemiestudium in Berlin 1853 am alten Fährweg nach Lettin (gegenüber vom heutigen „Umweltzentrum Franzigmark“) eine Fabrik errichtete und ein Jahr später Wilhelmine Stange (1829–?), die Schwester des Zeichners, heiratete. Sein Hauptprodukt war „konzentrierter Alaun“ (Aluminiumsulfat), der durch Behandlung von Kaolin mit Schwefelsäure in hölzernen Bottichen hergestellt wurde, die mit Blei ausgekleidet waren. Aluminiumsulfat wurde zu der Zeit vor allem in der Papierindustrie benötigt.

 

Otto Senff: Blick auf die Alaunfabrik bei Morl, vorderseitig beschriftet: „Zum 21sten October 1860 als Andenken an die wüste Mark zu Morl.“; Bleistift; 18 x 24,5 cm, Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Dr. Albrecht Pohlmann

Die zweite Zeichnung zeigt den Blick über einen Flusslauf zu einem erhöhten Ufer, auf dem eine Gruppe von Gebäuden steht, die durch den rauchenden Schornstein als Fabrik kenntlich gemacht ist. Auf der Flur darunter sind pflügende Bauern zu sehen. Von Baumgruppen und Buschwerk teilweise verdeckt, erhebt sich links von der Fabrik eine Felskuppe. Auf dem diesseitigen Ufer lugt ein Wohnhaus zwischen Bäumen hervor, auf dem Boden rechts vorn picken drei Vögel.

 

Dieses Blatt, das wohl vom Fabrikherren selbst stammt, trägt ebenfalls eine Widmung: „Zum 21sten October 1860 als Andenken an die wüste Mark zu Morl.“

So wurde die „Wüstung Franzig“ bezeichnet, eine alte Dorfstelle an der Saale, die schon damals zum dreieinhalb Kilometer nördlich gelegenen Morl gehörte. Otto Senff hatte zunächst wirtschaftlichen Erfolg und engagierte sich – wie viele Unternehmer – im Gefolge der Revolution von 1848 auf der äußersten bürgerlichen Linken bei der „Fortschrittspartei“. Er musste jedoch 1866 Konkurs anmelden, die Fabrik wechselte mehrmals die Besitzer, wurde 1909 stillgelegt und später zu Wohnzwecken genutzt. Am gegenüber liegenden Ufer lässt sich heute von der alten Domäne in Lettin aus der Standort des Zeichners rekonstruieren.

Einige Gebäude der alten Alaunfabrik stehen noch, so das dominierende Wohnhaus des Fabrikbesitzers. Das gesamte Wohngebiet trägt – als Ortsteil von Morl – seit einigen Jahren den Namen „Alaune“. In dem weiteren, heute als „Franzigmark“ bezeichneten Gebiet liegt auch das Wohn- und Arbeitsprojekt „Gut Alaune e. V.“, auf dessen Blog sich Weiteres zur Geschichte der Gegend finden lässt:

gutalaune.de

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