14. Mai 2020

Die Restaurierung eines einzigartigen Marien-Reliefs aus der Werkstatt Conrad von Einbecks

#closedbutopen

Im Gotischen Gewölbe der Moritzburg ist seit Anfang der 1950er Jahre das Relief einer Maria mit Kind aus der Kirche St. Moritz in Halle (Saale) ausgestellt. Im Zuge seiner Umsetzung infolge von Baumaßnahmen im vergangenen Jahr wurde eine umfassende Restaurierung notwendig, die von dem halleschen Bildhauer Christoph Reichenbach vorgenommen wird.

 

Aufgrund seiner Herkunft und stilistischer Vergleiche wird das Relief der Werkstatt des Conrad von Einbeck (um 1360–1428) zugeschrieben, einem der herausragenden Bildhauer seiner Zeit mit einem ausgeprägten persönlichen Stil. Conrad war von 1382 bis zur Einwölbung 1511 oder 1519 als einer der beiden leitenden Baumeister am Bau der halleschen Moritzkirche tätig. Er hatte eine Lehrzeit in der Bauhütte der Parler in Prag durchlaufen, deren Wirken entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Hallenkirche und eines in ganz Europa verbreiteten neuen Stils ausübte. Dieser „Weiche“ oder „Schöne Stil“ mit anfangs realistischen Zügen gewann um 1400 an emotionalem Ausdruck und durchdrang alles in einem dekorativen Sinn, der selbst den schmerzhaftesten Szenen oder Figuren Eleganz und Schönheit verleiht. Conrad brachte diese Ideen mit in die Saalestadt.

In den Quellen wird er als magister lapiciarum und 1415 als buwemestere tu sente Moritze bezeichnet. Von seiner Hand stammen fünf mit seinem Namen signierte und in ihrer Gestaltung bemerkenswerte Steinskulpturen in der Moritzkirche. Die Figur des heiligen Mauritius trägt zur Kleidung im Stil der Zeit einen Gürtel mit Glöckchen und wird deshalb auch populär „Schellenmoritz“ genannt.

 

Conrads Figuren sind dekorativ durchgestaltet und dabei doch von erstaunlichem Realismus. Eine Schmerzensmutter etwa, die um ihren gekreuzigten Sohn Jesus weint, trägt zwar ein elegantes, in Kaskaden fallendes Gewand des „Schönen Stils“, aber darin steckt eine alternde, von Sorgen und Leid gezeichnete Frau mit schwerem Körper, verquollenem Gesicht und verweinten Augen!

Dagegen ist die Gottesmutter auf dem Relief eine junge Frau von biegsamer Gestalt, mit rundem Gesicht und dicken, langen Zöpfen, die ihr lebhaft zappelndes Söhnchen auf beiden Armen vor ihrer Brust hält. Details wie die Hände, der Körper des Kindes oder auch seine Haare sind recht einfach, vielleicht hat es nicht der Meister selbst, sondern ein Werkstattmitarbeiter ausgeführt. Der ursprüngliche, nicht mehr bekannte Standort des Reliefs in der Moritzkirche, von wo es 1947 an das Museum abgegeben wurde, war mutmaßlich etwas nebensächlich.

Bei der nun stattfindenden Restaurierung sollen alte Ergänzungen soweit revidiert werden, dass die Lieblichkeit der jungen Gottesmutter in etwa so hergestellt wird, wie man sie vermuten darf. Außerdem erhält das Relief eine neue Montage, die es in der Zukunft, ohne Gefahr zu laufen, Schaden zu nehmen, transportabel macht.

Zur Restaurierung

Das aus dem Sandstein geschlagene Relief weist zahlreiche Schäden und teilweise unsachgemäße Ergänzungen aus früheren Zeiten auf. Ein Bruch im oberen Drittel teilt es quer. Dazu gibt es Ausbrüche an der Rahmenleiste oben rechts und im Bruchbereich links. Vermutlich war das Relief einst großen mechanischen Kräften ausgesetzt – denkbar wäre ein Absturz oder eine unglücklich verlaufene Demontage.

 

Besonders der Kopf- und Brustbereich der Maria ist durch Verluste und teilweise störende Ergänzungen entstellt: Die linke, erhobene Hand des Jesuskindes ist abgebrochen, der Armstumpf derart ergänzt, dass er handlos in der Hintergrundfläche des Reliefs „verschwindet“. Ohne Anhaltspunkte über die ursprüngliche Gestaltung der Hand muss mit diesem Zustand jedoch vorliebgenommen werden.

 

Im Gesicht Marias, in dem die Nase ausgebrochen ist, wurde der untere Teil so entstellend ergänzt, dass die Entscheidung zur Abnahme der alten Ergänzungen fiel. Kleinere Partien in Gips ließen sich leicht entfernen, nicht jedoch eine große Partie in Beton. Sie wird nun soweit abgetragen, dass sie durch eine besser angepasste Ergänzung überformt werden kann.

Ein besonderes Problem stellt der alte Bruch des Werkes dar. Ursprünglich sollten die beiden Reliefteile durch Dübel wieder miteinander verbunden werden, doch die geringe Dicke des Steins im Bruchbereich lässt keine Bohrungen für die Dübellöcher zu. Deshalb werden die beiden Teile nun in einem Stahlrahmen zusammengeführt, der weitgehend verdeckt sein wird. Damit werden die konservatorischen Erfordernisse mit den ästhetischen verbunden, wobei die gesamte Konstruktion demontierbar und transportabel bleibt.

Dank der Corona-Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung konnte die Restaurierung des Marien-Reliefs durchgeführt werden. Die eigentlich für dieses Jahr geplante Maßnahme hätte aus Haushaltskonsolidierungsgründen zur Kompensation der Corona-bedingt zu erwartenden Mindereinahmen in diesem Jahr unterbleiben müssen. Damit hätte ein wichtiges Objekt unserer Mittelaltersammlung nicht präsentiert werden können, wenn wir diesen Abschnitt unseres Sammlungsrundgangs nach 3 Jahren baubedingter Schließung nunmehr wieder zugänglich machen. Dank der Unterstützung konnte die Maßnahme durchgeführt werden und der seit vielen Jahren für uns tätige Bildhauer und Restaurator Christoph Reichenbach weiterarbeiten.

Nach der Fertigstellung der Arbeiten wird das Relief in unserer Sammlungspräsentation Sakrale Kunst vom Mittelalter bis Barock im Gotischen Gewölbe dauerhaft installiert werden.

Weitere Informationen zur Sammlungspräsentation
Sakrale Kunst vom Mittelalter bis Barock

 

Wir danken der Ernst von Siemens Kunststiftung für die Förderung der Maßnahme!