14. März 2021

Zeugnisse einer Revolution in der Glaskunst

Zur internationalen Studioglassammlung eines Berliner Privatsammlers

 

Dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist es in den Jahren zwischen 2004 und 2015 mit Hilfe der Freunde und Förderer des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) e. V. und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Saalesparkasse gelungen, internationale Studioglasobjekte, teils als Schenkung und Leihgabe zu erwerben. Diese etwa 160 Objekte wurden von einem Berliner Privatsammler über 30 Jahre lang zusammengetragen, wobei es sich fast ausschließlich um Modernes Studioglas handelt, welches aus der Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgeht.

Diese Studioglas-Bewegung ist ein innovativer Einschnitt innerhalb der Glaskunst. Ihre Gründung ist auf das Jahr 1962 zurückzuführen und hat ihren Ausgangspunkt in den USA. Als Hauptinitiator gilt der Amerikaner Harvey K. Littleton (1922–2013), wobei der deutsche Künstler Erwin Eisch (*1927) maßgeblich für deren Verbreitung innerhalb von Europa sorgte. Der Einfluss der amerikanischen Studioglas-Bewegung und das Bemühen von Erwin Eisch, Glas zum eigenständigen und zweckfreien Material der Kunst aufzuwerten, hatte weltweite Folgen.

 

 

Eine Besonderheit des Studioglases ist die Entwicklung eines kleinen Ofens durch Harvey K. Littleton und Dominick Labino (1910–1987). Dieser Ofen konnte trotz seiner geringen Größe die enorme Hitze produzieren, die Glas zum Schmelzen bringt, und war somit geeignet für jedes Atelier. Für Künstlerinnen und Künstler aller Gattungen eröffneten sich dadurch neue Möglichkeiten, autark mit dem Material Glas zu experimentieren. Sie konnten nun ihre Entwürfe selbst realisieren und waren nicht mehr auf professionelle Glasbläser aus den großen Hütten, wie zum Beispiel im Bayrischen Wald oder in Thüringen, angewiesen und auf diese Weise unabhängig von der Industrie. Eine Revolution in der Glaskunst!

 

 

Dank der großen Expertise des Kunstsammlers konnte die Glassammlung des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) um exzellente Unikate aus der Bundesrepublik Deutschland, der Tschechischen Republik, Polen, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Großbritannien, Island, Estland, Italien, Ungarn, Japan und den USA ergänzt werden. Die Studiogläser stammen fast ausschließlich aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bieten eine ideale Ergänzung für die entwicklungsgeschichtlich angelegte Sammlung. Durch die politische Lage in der DDR war es dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) lange Zeit sogut wie unmöglich, Objekte von internationaler Herkunft für das Haus zu gewinnen. Durch diese Studioglasobjekte konnte eine Lücke geschlossen werden und es ist möglich, die Entwicklung der Glaskunst von der Antike bis in die Gegenwart zu erzählen.

 

 

Die Glaskunst-Objekte befinden sich in unserer Studiensammlung Kunsthandwerk & Design, wo sie hoffentlich bald wieder im Rahmen von Sonderführungen erkundet werden können:

Weitere Informationen zur Studiensammlung