14. Dezember 2021
Ohne Pathos und mit Freude am detailreichen Erzählen: Fritz Freitag
Stimmungsvoll weiß gepudert, mit einfachen Verkaufsständen und Karussells in fröhlichen Farben – nicht nur Besucherinnen und Besucher des diesjährigen Weihnachtsmarktes auf dem Marktplatz von Halle (Saale) werden sich nach diesem Vergnügen ohne Zugangskontrollen, Masken und Mindestabstände zurücksehnen …
Diese nur 15 x 15 cm große Idylle auf Goldgrund hielt Fritz Freitag (1915−1977) 1968 fest. Das Bild ist wie fast 200 Werke anderer Künstlerinnen und Künstler 2021 neu in die Sammlung des Museums gekommen − die meisten durch Schenkung.
Der Maler und Grafiker Fritz Freitag zählt zu den Kunstschaffenden der DDR, deren Werk außerhalb des Landes leider nicht die verdiente Aufmerksamkeit erhält und bis heute wenig bekannt ist.
1915 im oberschlesischen Königshütte geboren, siedelte Freitag 1927 nach Halle (Saale) um und studierte von 1933 bis 1940 an der Burg Giebichenstein. Er besuchte die Klasse für Malerei von Charles Crodel (1894−1973), erhielt Zeichenunterricht bei Gustav Weidanz (1889−1970) und wurde von Herbert Post (1903−1978) in Schriftgestaltung und Gebrauchsgrafik unterrichtet. Nach mehreren Kriegseinsätzen war Freitag von 1945 bis zu seinem Tod im Jahr 1977 freischaffend in der Saalestadt tätig. Die größte Bekanntheit erreichte er mit seinen seit Ende der 1950er Jahre geschaffenen baugebundenen Kunstwerken, beispielsweise in der Pädagogischen Hochschule Halle-Kröllwitz (1956), in der Aula der Oberschule Wolfen (1967), im Speisesaal der Kinder- und Jugendsportschule Halle (1970) sowie in der Mensa der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (1972/73).
1947 gründete Freitag gemeinsam mit u. a. Fritz Baust (1912−1982), Albert Ebert (1906−1976), Waldemar Grzimek (1918−1984), Karl Erich Müller (1917−1998) und Willi Sitte (1921−2013) die Künstlervereinigung „Die Fähre“, deren Ziel es war, die durch das Regime des Nationalsozialismus verursachte kulturelle Not zu überwinden und Kunst und Kultur allen Menschen zugänglich zu machen.
Bereits 1945, kurz nach seiner Rückkehr nach Halle (Saale), malte Freitag den hiesigen Weihnachtsmarkt aus ähnlich erhöhter Perspektive wie 1968, jedoch in weit größerem Format, ohne die Marienkirche und natürlich ohne die Spitze des Roten Turmes, die dieser infolge von Angriffen amerikanischer Truppen im April des Jahres verloren hatte und dessen vollständige Rekonstruktion erst im April 1976 abgeschlossen wurde. Auch das triste Kolorit lässt die Trauer und Trostlosigkeit der unmittelbaren Nachkriegszeit erahnen, die typisch für die sogenannte „Hallesche Schule“ werden sollte.
Weitere Informationen zur „Halleschen Schule“ im Blog-Beitrag zum Tod des Malers Werner Rataiczyk
Einer 1947 entstandenen Darstellung des Weihnachtsmarktes auf dem Moritzkirchhof wohnt ebenfalls die Tristesse kriegsbedingter Entbehrungen inne.
Eben diese Entbehrungen ließen Fritz Freitag laut Überlieferung 1949 eine Holzkiste als Weihnachtsgeschenk für seinen Sohn bauen, die er mit fein gemalten, bunten Motiven des Ursprungs des Weihnachtsfestes, der Geburt Christi im Stall, verzierte.
Auf der Vorderseite ist der Neugeborene in der Krippe liegend, von seinen Eltern und einigen Tieren umgeben zu sehen. Auffällig ist, dass Maria im Zentrum der Darstellung neben der Krippe kniet und Joseph einen verschatteten Platz am äußersten Rande des Bildes einnimmt. Zudem hat Freitag die Tiere deutlich detailreicher ausgearbeitet als die Menschen. Vermutlich war er sich bewusst, dass das Interesse seines Sohnes wohl vor allem den Vierbeinern gelten würde. Die Rückseite ziert die Heilige Familie umgeben von den Heiligen Drei Königen, Hirten und einigen Frauen und Kindern. Auf den Schmalseiten stellt Freitag deren jeweilige Anreisen dar. Auf den vier Seiten des Deckels schweben musizierende und jubilierende Engel und Putti. Die oberste Fläche des Deckels hat Freitag mit geschnitzten Fischen – dem christlichen Erkennungszeichen für den Glauben an Jesus Christus − und Ornamenten versehen.
Die stilistische Veränderung gleicher Motive im Werk Fritz Freitags im Laufe von etwa 20 Jahren lässt sich nicht nur an den Gemälden des halleschen Weihnachtsmarktes, sondern auch am Beispiel der Engel studieren, gelangte doch gemeinsam mit der 1968 entstandenen Weihnachtsmarktdarstellung ein kleines, ebenfalls goldgrundiertes Bild eines „Schwebenden weiblichen Engels mit Horn und Blumenstrauß“ aus dem Jahr 1969 in die Sammlung. Hinsichtlich seiner Kleidung eine Mischung aus einem typischen Farb- und Mustermix der Hippiezeit und der Fantasie des Künstlers, schwebt der Engel in einer kunstvollen Drehung vor einem mit Sternen übersäten Hintergrund.
Schon an diesen wenigen Werken lässt sich feststellen, dass Fritz Freitag nie ganz die Nähe zu seinem Lehrer Charles Crodel verlor und das handwerkliche Können mitbrachte, um seiner Malerei eine sehr individuelle Handschrift zu verleihen. Seine Gemälde und baugebundenen Kunstwerke zeugen von seiner Freude am detailreichen Erzählen. In seinen stets realistischen Darstellungen finden sich vor allem seit Ende der 1960er Jahre immer wieder stilistische Ausbrüche in Form von farbintensiven und musterreichen Fantasieszenen, die häufig auf einem Goldgrund aufgebracht sind.
Mit Willi Sitte, dessen Schaffen aktuell in der Sonderausstellung „Sittes Welt“ nachgegangen werden kann, verbindet Freitag nicht nur die gemeinsame Mitgliedschaft in der „Fähre“. 1953 schufen beide gemeinsam mit Otto Müller (1898– 1979) im Auftrag der Stadt Halle (Saale) das Gemälde „Der erste Aufstand der halleschen Salzwirker“. Ursprünglich für eine Präsentation im „Theater des Friedens“, dem heutigen Opernhaus, gedacht, aber dort offenbar nie ausgestellt, kam es 1954 in die Sammlung des Städtischen Kunstmuseums, dem heutigen Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). 1963 wurde es an das Heimatmuseum, dem heutigen Stadtmuseum, übereignet und war bis zum Beginn der Umbauarbeiten des Technischen Halloren- und Salinemuseums dort ausgestellt.
Im Vergleich zu dem sechs Jahre jüngeren Willi Sitte, wird deutlich, zu welch unterschiedlichen Ausformungen gleiche Rahmenbedingungen führen können. Suchte der eine nach einigen Umwegen und Rückschlägen die Nähe zur politischen Macht und war bereit, sein künstlerisches Schaffen seiner politischen Überzeugung anzupassen, blieb der andere stets unpathetisch und unauffällig und suchte in seiner privaten Malerei kleine Fluchten.
Weitere Informationen zur Sonderausstellung
„Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retrospektive“