12. Juni 2020
Die Sammlung Fotografie
im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
„Das weisse Ei als Positiv, das Tagesei, ruht als Kontrast auf einem dunklen Grund. Die Projektion der Dinge, geordnet nach Licht und Schatten, gehört zum Wesen der Fotografie.
“
Hans Finsler, Mein Weg zur Fotografie, 1971
Wie wohl kein zweites Bild steht das Foto Zwei Eier, Positiv, 1929, von Hans Finsler (1891–1972) für die Sammlung Fotografie im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Die abstrakt minimalistische Form des weißen Eis hebt sich deutlich ab von der dunklen Unterlage und dem eigenen Schatten. Elegant und reduziert wird hier ein Alltagsobjekt bildwürdig und „neu gesehen“ durch das Medium Fotografie. Hans Finsler leitete von 1927 bis 1932 die Fotoklasse an der Kunstschule in der Burg Giebichenstein und war einer der Hauptvertreter der fotografischen Strömung des „Neuen Sehens“ der 1920er Jahre. 1986 wurde mit Übereignung seines Nachlasses an das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) die Fotografische Sammlung begründet und ein Schwerpunkt für ihre thematische Ausrichtung gelegt.
Seitdem hat sich der Fokus der Sammlung erweitert: Die Bildsammlungen des Fotokino-Verlags Leipzig und der Gesellschaft für Fotografie im Kulturbund der DDR geben einen einzigartigen Einblick in das herausragende künstlerische Schaffen in Ostdeutschland und Osteuropa seit 1945, das in der Sammlung stetig vertieft wird.
Beispielsweise vermittelt Helga Paris (* 1938), die 2019 den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie erhielt, mit ihrer Reihe Häuser und Gesichter, 1983–85, ein Porträt der Stadt Halle (Saale) in den 1980er Jahren. Straßen und Gebäude der „Diva in Grau“, wie die Chemiestadt auch genannt wurde, dienen als Kulisse für charakterstarke Bilder ihrer Bewohner. Neben der künstlerischen Qualität der Aufnahmen sind sie heute zeithistorische Dokumente, die die Wandlung der Stadt eindrucksvoll belegen.
„
Meine Bilder zeigen den Moment einer Geschichte.
“
Helga Paris
Einen anderen Blickwinkel nehmen die dem Museum geschenkten Arbeiten der experimentellen Fotografie des legendären Fotoforum Kassel ein, das Floris Neusüss (1937–2020) 1972 gründete. Künstler wie Charles Wilp (1932–2005), Valie Export (* 1940), Jürgen Klauke (* 1943) und andere loteten die Möglichkeiten und Grenzen der Fotografie als Medium und Konzept aus. In Symposien, Ausstellungen und Publikationen wurde die Fotografie ‚gegen den Strich gebürstet‘, Vorhandenes adaptiert und neue Bildwelten erfunden.
Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist damit ein Zentrum für die Fotografie des „Neuen Sehens“, der Fotografie aus dem Osten Deutschlands und Osteuropas und der experimentellen Fotografie seit den 1960er Jahren. Neu erworbene deutsche und internationale Positionen runden das Profil ab. In ihrer Ausrichtung ist die Sammlung mit dieser Konstellation einzigartig. Sie bietet einen inspirierenden Fundus für die schöpferischen Möglichkeiten des Mediums Fotografie, die immer wieder auch in Sonderausstellungen vorgestellt werden. Aktuell zeigen wir mit der großen Karl-Lagerfeld-Retrospektive einen spannenden Einblick in das kreative Schaffen des Multitalents.
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