11. Juli 2023

Aus Florenz zurückgekehrt!
Rudolf Levys „Südfranzösische Landschaft (Sanary)“

 

Porträt von Rudolf Levy, Leo Baeck Institute, F 2585, Quelle: https://www.lbi.org/griffinger/record/209869

 

Von Januar bis Ende April 2023 fand im Florentiner Palazzo Pitti die Ausstellung „Rudolf Levy (1875–1944) – L’opera e l’esilio (Rudolf Levy – Werk und Exil)“ statt, die sich dem bewegten Leben des Malers widmete und sein künstlerisches Werk im Kanon der europäischen Moderne angemessen verortete. Als Leihgabe aus dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) wurde dort die „Südfranzösische Landschaft (Sanary)“ gezeigt, die nun wieder nach Mitteldeutschland zurückgekehrt ist und ihren Platz in der Sammlungs­präsen­tation des Museums einnimmt.

 

Rudolf Levy: Südfranzösische Landschaft (Sanary), 1924, Öl auf Leinwand, 54 x 65 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober

 

Ein später Frühlingstag oder ein früher Sommertag – eine bergige Landschaft ergießt sich im Sonnenschein der heißen Mittagszeit. Die Formation der Wolken nimmt die Dynamik der vereinfachten Elemente der Landschaft – die Berge, die Bäume und Büsche sowie die wenigen Architekturen – auf. Die Farben leuchten, die Pinselführung ist locker, das Blau des Himmels ein wenig beruhigter und flächiger vermittelt die Weite des Firmaments an einem heiteren Sonnentag. Vor Augen tritt eine Sehnsuchtslandschaft. Das Bild zeigt eine südfranzösische Landschaft bei Sanary sur mer, einem Ort an der Côte d’Azur, an dem sich Rudolf Levy schon in den 1910er Jahren gern aufhielt und 1924 erneut weilte.

Das Gemälde hat auch Gerhard Händler (1906–1982) zugesagt, der als erster Direktor des halleschen Museums nach dem Zweiten Weltkrieg das Werk 1948 erwarb. Es stammte aus der Kleinen Galerie Walter Schüler, die als eine der ersten privaten Nachkriegsgalerien im westlichen Teil der Stadt Berlin 1946 eröffnet hatte. Händler hatte ab 1947 die Aufgabe übernommen, das durch die Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ 1937 in seiner bedeutenden Sammlung moderner Kunst nahezu beraubte Museum erneut zu einem öffentlichen Ort der modernen und zeitgenössischen Kunst in der Sowjetischen Besatzungszone wiedererstehen zu lassen. Dieses Vorhaben, den Geist seiner Vorgänger Max Sauerlandt (1880–1934) und Alois Schardt (1889–1955) neu zu beleben, führte er mit viel Engagement und Geschick. Neben vielen Erwerbungen integrierte er auch zahlreiche Leihgaben aus Privatbesitz in die Sammlungspräsentation, die im Oktober 1948 vielbeachtet eröffnete. Händler versuchte nicht nur Werke des deutschen Expressionismus wiederzuerlangen, sondern weitete das einstige Profil des Hauses auch auf die französische Avantgarde bzw. auf deutsche Positionen mit starken französischen Einflüssen. So erhielt er als Leihgabe des Berliner Kunsthändlers Ferdinand Möller (1882–1956) die „Fischerboote“, 1913, von Albert Gleizes (1881–1953) und aus der Privatsammlung des halleschen Pumpenfabrikanten Felix Weise (1876–1961) zwei Landschaften von Maurice de Vlaminck (1876–1958), eine Landschaft von Emil-Othon Friesz (1879–1949) sowie eine weitere Landschaft von Raoul Dufy (1877–1953) geliehen, die bisher nicht näher identifiziert werden konnten.

 

Blick in die Sammlungs­präsentation Gerhard Händlers 1948 mit Werken von Wilhelm Lehmbruck, Maurice de Vlaminck, Rudolf Levy und Albert Gleizes, Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

 

Wie wichtig ihm der französische Einfluss auf die deutsche Moderne war, zeigt sich auch an weiteren Werken, die Händler für die Museumssammlung kaufte. So erwarb er auch das Gemälde „Weiblicher Akt (Akt mit Anemone)“, 1936, von Oskar Moll (1875–1947) sowie ein Aquarell und eine Tuschezeichnung von Hans Purrmann (1880–1966). Beide Künstler gehörten, wie Rudolf Levy, dem Kreis des Pariser Café du Dôme an und waren, nicht nur Initiatoren der Académie Matisse sondern auch Schüler von Henri Matisse (1869–1954), dem wohl einflussreichsten französischen Maler auf die Dômiers, neben dem älteren Paul Cézanne (1839–1906).

 

Oskar Moll: Weiblicher Akt (Akt mit Anemone), 1936, Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Siegfried Gergele

 

Die Künstler des Café du Dôme wurden vor allem durch das Wirken der Galeristen Paul Cassirer (1871–1926) und Alfred Flechtheim (1878–1937) in Deutschland bekannt.

Levy gehörte seit 1913 zu den Künstlern, die Flechtheim in seinen Galerien nicht nur ausstellte, sondern auch unter Vertrag nahm und ihm später ein Monatsgehalt zahlte. Als Levy sich von 1924 bis 1926 erneut in Paris und Südfrankreich aufhielt, lernte er den jungen deutschen Maler Paul Strecker (1898–1950) kennen. Seit Beginn der 1920er Jahre gehörte er zum Flechtheim-Kreis, und ließ sich im April 1924 in Paris nieder – von Levy und Jules Pascin (1885–1930) empfangen.

 

 

Strecker legte in seiner Zeit in Frankreich auch eine kleine Kunstsammlung an, zu der auch Werke von Levy gehörten. So tauschte er seine Studie „Parc Moncau“ gegen Levys „Südfranzösische Landschaft (Sanary)“ zwischen 1924 bis 1926 ein, wie eine Verkaufs- bzw. Tauschliste aus seinem Tagebuch aufführt. 1944 kehrte Strecker nach Deutschland zurück. 1946 übernahm er eine Professur an der Hochschule der bildenden Künste in Berlin-Charlottenburg und stellte ab dieser Zeit in den neuen Berliner Galerien aus. Auch über die Kleine Galerie Walter Schüler verkaufte er seine Gemälde sowie Werke seiner Kunstsammlung, wie eben die Landschaft von Levy. Gerhard Händler wiederum erwarb 1948 neben der „Südfranzösischen Landschaft (Sanary)“ auch Streckers Gemälde „Menschen am Wasser“, um 1947, das den Einfluss französischer Kunst atmet.

 

Paul Strecker: Menschen am Wasser, um 1947, Öl auf Leinwand, 34,5 x 54,5 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

 

Die Sammlungspräsentation, so wie sie von Gerhard Händler 1948 in Halle eingerichtet worden war, war nur kurze Zeit der Öffentlichkeit zugänglich. Kulturpolitischer Druck sowie die sich ankündigende Museumsreform des Landes Sachsen-Anhalt führten zur Flucht Händlers zunächst nach Westberlin. Das Museum wurde nach gesellschaftlichen Gesichtspunkten, die dem Aufbau des Sozialismus dienen sollten, umgehängt. Händler leitete ab 1954 das Städtische Kunstmuseum Duisburg (heutiges Lehmbruck Museum). Dort realisierte er 1964 die bedeutende Ausstellung „Pariser Begegnungen, 1904 – 1914. Café du Dôme, Académie Matisse, Lehmbrucks Freundeskreis“, die zum ersten Mal die Beziehungen der deutschen Künstler in Paris einem breiteren Publikum der Nachkriegszeit vorstellte. Eine Pionierarbeit, dessen Konzeption in Halle bereits als Blaupause angelegt war.

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