10. Juli 2021
Johanna Schütz-Wolff: Zwischen flächigen Bildteppichen und strukturellen Grafiken
Zum 125. Geburtstag
Johanna Schütz-Wolff (geb. am 10. Juli 1896 in Halle (Saale), gest. am 30. August 1965 in Söcking) ist in der halleschen Kunstszene und der modernen deutschen Textilkunst eine hoch angesehene Künstlerin des 20. Jahrhunderts, die vor allem durch ihre figürlichen Bildteppiche beeindruckt. Zusammen mit ihrer ein Jahr älteren Schwester bekam sie bereits in jungen Jahren Unterricht im Zeichnen, Klöppeln und Weben. Im Alter von 19 Jahren besuchte sie die Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Halle (Saale), die von Paul Thiersch (1879–1928) geleitet wurde, dem sie sich künstlerisch ihr ganzes Leben eng verbunden fühlte und dessen Ideen einer neuen Kunst im Handwerk sie teilte.
Nachdem sie in den Jahren 1918/1919 in München an der Kunstgewerbeschule bei Fritz Helmuth Ehmcke (1879–1965) studierte, kam sie wieder zurück an die Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Halle (Saale) und besuchte dort die Malklasse von Erwin Hahs (1889–1970). Im Oktober 1920 übertrug ihr Paul Thiersch die Leitung der neu eingerichteten Textilklasse und Handweberei, die sie nach 5 Jahren aufgrund der beruflichen Veränderung ihres Mannes aufgeben musste. Fortan widmete sie sich mit voller Kraft und Leidenschaft freiberuflich ihren eigenen Arbeiten. Trotz ihrer vergleichsweise kurzen Lehrtätigkeit prägte sie die Textilgestaltung der Kunstschule in der Burg Giebichenstein maßgeblich und beeinflusste nachfolgende Generationen.
Bereits während des Studiums erlangte Johanna Schütz-Wolff vor allem mit grafischen Entwürfen und der Schriftgestaltung große Anerkennung. Ihr eigenständiges grafisches Werk resultiert aus einer außergewöhnlichen Doppelbegabung, wobei sich das Textile und das Grafische gegenseitig beeinflussen: Einerseits werden die großen Teppiche durch klare Linien und Formenüberschneidungen gestaltet und andererseits erinnern die Grafiken durch ihre strukturellen Elemente an Gewebestrukturen. Insgesamt konnte sich Johanna Schütz-Wolff jedoch in der Textilkunst am stärksten verwirklichen, wie sie 1935 in einem Brief selbst äußerte:
In den Folgejahren zeigten ihre Gobelins und Bildteppiche vor allem Darstellungen ihrer neuen dörflichen Heimat Schwabendorf bei Marburg, wo ihr Ehemann Paul Schütz (1891–1985) im Jahr 1925 eine Pfarrstelle erhielt. Sie führten dort mit ihrer Tochter ein Leben im Einklang mit der Natur, besaßen einen großen Garten, viele Tiere und nahmen am traditionellen Landleben teil. Aus diesem Leben ergab sich eine nahezu unerschöpfliche Quelle an Farben und Formen für ihre großformatigen Bildteppiche und Holzstiche.
Ende der 1920er Jahre fand ihr Werk großen öffentlichen Anklang, weswegen sie an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilnahm und einige Werke verkaufte. Ab dem Jahr 1933 zog sie sich infolge des nationalsozialistischen Aufstiegs aus dem öffentlichen Kunstleben zurück, um ihren Mann zu schützen, der durch einige seiner Schriften die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten auf sich gezogen hatte. Darüber hinaus zerstörte sie selbst, als Vorgriff einer Hausdurchsuchung durch die Nationalsozialisten, 13 ihrer modernen Bildteppiche und widmete sich fortan eher religiösen Themen. Nur noch wenige ihrer frühen Werke sind erhalten geblieben. Aus diesem kleinen Bestand erhielt das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 2018 unter anderem drei vollständig erhaltene Halbgobelins, die 1931 angefertigt wurden, als Schenkung aus dem Nachlass der Künstlerin.
1940 siedelte Johanna Schütz-Wolff mit ihrer Familie nach Hamburg um. Als ihr Mann im Jahr 1941 den Kriegsdienst antreten musste, zog sie sich nach Bayern zu Maria Marc (1876–1955), der Witwe von Franz Marc (1880–1916), zurück. Seiner Kunst fühlte sie sich sehr verbunden und leitete daraus wichtige künstlerische Impulse ab.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete sie sowohl an ihrem Schaffenswerk der 1920er Jahre weiter als auch an kirchlichen Themen. Ab den 1950er Jahren wurde ihr künstlerisches Dasein vermehrt durch Farbholzschnitte und durch Monotypien geprägt. Insbesondere bei der Arbeit an den Monotypien erreichten die flächigen Formen und die geritzten Linienzeichnungen ihre Höhepunkte.
Im Jahr 1952 zog Johanna Schütz-Wolff mit ihrem Ehemann nach Söcking bei Starnberg und starb dort am 30. August 1965 nach langjähriger Krankheit.
Dank mehrerer großzügiger Schenkungen des Nachlasses von Johanna Schütz-Wolff sowie Ankäufen in den Jahren 1998, 2005 und 2018 befindet sich im Bestand des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) ein Querschnitt durch das Lebenswerk Johanna Schütz-Wolffs von Schmuckobjekten, Emaillebildern über Bildteppiche bis hin zu Grafiken und einem Gemälde.