09. Mai 2020
Wir feiern Europa!
#closedbutopen
Heute ist Europatag. Allerdings gibt es zwei Europatage. Am 5. Mai ist der Europatag des Europarats. Er geht zurück auf die Unterzeichnung der Satzung des Europarats 1949 in London. Seit 1964 wird jährlich daran erinnert. Am 9. Mai ist der Europatag der Europäischen Union. An diesem Tag formulierte 1950 der damalige französische Außenminister Robert Schuman (1886–1963) seine Idee, die Kohle- und Stahlindustrie in Frankreich und Deutschland einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen. Ein vereintes Europa sah er als notwendiges Fundament für friedliche Beziehungen untereinander. Seit 1985 wird daher auch der 9. Mai als Europatag begangen.
Europa – ein Erdteil, der viele Länder und unterschiedliche Kulturen vereint – steht heute u. a. für ein harmonisches, friedliches Miteinander.
Auszug aus der Schumann-Erklärung von 1950:
„Der Weltfriede kann nur durch schöpferische, den drohenden Gefahren angemessene Anstrengungen gesichert werden. [...] Wenn Frankreich, Deutschland und weitere Beitrittsländer ihre wirtschaftliche Grundproduktion zusammenlegen und eine Hohe Behörde einsetzen, wird dieser Plan die ersten konkreten Grundlagen für eine europäische Föderation schaffen, die zur Erhaltung des Friedens notwendig ist.“
Europäisches Parlament: Europatag. 2019
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Europa ist eine Frau
In der Kunst sind viele Darstellungen bekannt, die eine junge Frau auf einem Stier sitzend darstellen. Sie beziehen sich auf die griechische Mythologie, welche enthüllt, wie das Mädchen Europa zu ihrem Namen kam – eine der zahlreichen Liebesgeschichten des Göttervaters Zeus!
Europa war die Tochter des Königs Agenor, der in Phönizien, einem Landstreifen auf dem Gebiet der heutigen Staaten Israel, Libanon und Syrien, über die Städte Tyrus und Sidon herrschte. Sie war bekannt für ihre Schönheit. Zeus verliebte sich in sie. Um ihr zu gefallen, verwandelte er sich in einen Stier und befahl dem Götterboten Hermes, die Viehherde des Königs an den Strand zu treiben, wo Europa mit ihren Freundinnen weilte. Sie sah das außergewöhnliche Tier, näherte sich ihm ohne Furcht und setzte sich auf seinen Rücken. Der Stier galoppierte mit ihr ins Meer.
Zeus wollte Europa vor der Wut seiner eifersüchtigen Gattin Hera schützen und schwamm einen Tag und eine Nacht durch das Meer, bis sie weit genug entfernt waren und Kreta erreichten. Als Europa von dem Stier stieg, gab Zeus seine wahre göttliche Gestalt zu erkennen und erklärte ihr, er sei der König dieser Insel und sie solle dort mit ihm herrschen. Die Göttin Aphrodite und deren Sohn Eros besänftigten die traurige Europa und zeigten ihr auf, dass sie nun von Unsterblichkeit gesegnet sei und das Land und der gesamte Erdteil, zu dem Kreta gehörte, künftig ihren Namen tragen würden: Europa.
Europa auf dem Stier
Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) besitzt in seinen Sammlungsbeständen verschiedene Werke, die das Thema aufgreifen. So gestaltete der Bildhauer Gerhard Marcks (1889–1981) 1930 eine Terrakotta-Plastik, die 1951/52 als Dauerleihgabe in unseren Bestand gegeben wurde (Abb. oben). Sie zeigt eine nackte weibliche Gestalt, welche sich seitlich an einen Stier lehnt. Die Figurengruppe weist senkrechte lineare Formen auf, die als Wellen gedeutet werden können, und verweist damit auf das Meer, das in dem Mythos eine so zentrale Rolle spielt.
Besonders in der Medaillenkunst ist das Thema ein beliebtes Motiv. Im Landesmünzkabinett befinden sich unterschiedliche Beispiele in hoher Qualität, z. B. eine um 1970/75 entstandene Medaille von Günter Kaden (* 1941), die einseitig mit einem Hochrelief versehen ist. Es zeigt Europa mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem Rücken eines Stiers, dessen Kopf in der Ansicht von vorn tief gesenkt ist.
Heinz Bergkemper (1925–2001) und Christine Heitmann (* 1937) vertreten zwei wichtige Positionen aus den 1980er Jahren. Auf seiner Bronze-Medaille von 1985 stellt Bergkemper Europa auf dem galoppierenden Stier dar. Am oberen Rand ist die Medaille mit einem Perlkreis verziert. Christine Heitmann entwarf 1987 eine einseitige Bronze-Plakette, auf der die nackte Europa mit offenem, langem Haar auf dem Rücken des Stieres sitzt. Die Gestaltung beider Medaillen ist in Anlehnung an antike griechische Münzen gehalten und unterstreicht auf diese Weise den Ursprung des Mythos.
Häufig wird der Mythos auch als Raub der Europa beschrieben. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Medaillen-Serie Europa und der Stier, die der ungarische Medailleur Istvan Bela Farkas (1915–2005) um 1970–77 schuf. In dieser Serie zeigt er das Motiv in verschiedenen Abstraktionsgraden. Auf der ersten Medaille ist eine noch relativ figurative Darstellung zu sehen, die Europa und den Stier liebevoll aneinandergeschmiegt zeigt. Lediglich die Köpfe sind abgebildet. Dann wird es zunehmend abstrakter. So zeigt die vierte Medaille eine schon in geometrischen Formen reduzierte Darstellung der auf dem Stier sitzenden Europa. Auf der fünften Medaille wirkt das Motiv wie eine kubistische Darstellung.
Bis heute bietet die Liebesgeschichte von Zeus und Europa immer wieder einen Anlass für künstlerische Jubiläumsausgaben, wie zwei Beispiele von Neujahrsmedaillen zeigen.
Einige der Medaillen sind, sofern dies rechtlich möglich ist, in Online-Datenbanken abrufbar. Das Stöbern bei Kenom oder museum-digital ersetzt zwar nicht die Aura der Originale, bietet aber vielfältige Einblicke in unsere Sammlungsbestände.
www.kenom.dewww.museum-digital.de
Mit Raub der Europa betitelte Charles Crodel (1894–1973), der ab 1927 als Lehrer für Malerei und Grafik an der Kunstschule in der Burg Giebichenstein tätig war, ein Ölgemälde, das er um 1945 malte und welches 1948 für unsere Sammlung erworben wurde. Europa wird hier als entführte Frau dargestellt. Das Werk reiht sich damit in die Traditionslinie einer patriarchalen Erzählung des Mythos ein.
Der Europatag ist in vielen europäischen Ländern Anlass für öffentliche Veranstaltungen. In diesem Jahr fallen sie aufgrund der Corona-Pandemie aus. Europa kämpft gemeinsam gegen ein Virus!