08. Mai 2020
Tag der Befreiung
#closedbutopen
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Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.
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Richard von Weizsäcker, Bundespräsident 1984-1994, Rede vom 5. Mai 1985, zitiert nach: www.bundespraesident.de/SharedDocs
Zum 75. Mal jährt sich heute, am 8. Mai, die Kapitulation Deutschlands und somit der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation durch Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel markiert, 8 Tage nach dem Selbstmord von Adolf Hitler und dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin, offiziell das Ende des Zweiten Weltkrieges. Für die Opfer des Faschismus, für alle Lagerinsassen, Inhaftierten und Zwangsarbeiter, vor allem für die überlebenden jüdischen Bürger war es eine Befreiung; für überzeugte Nationalsozialisten war es eine Kapitulation – eine Spaltung im deutschen Volk, welche bis in unsere unmittelbare Gegenwart wirkt. Der 8. Mai 1945 sollte die „Stunde Null“ symbolisieren – ein Reset nach den Gräueltaten, ein Neuanfang für Deutschland. Von den Schwierigkeiten des Umgangs mit unserer Geschichte und ihrer Aufarbeitung zeugen die vergangenen und gegenwärtigen Debatten und Diskussionen.
Der Zusammenbruch des alten Systems, die Folgen des Krieges und die damit einhergegangenen sozialen Katastrophen spiegeln sich auch in der Kunst dieser Zeit. Eine ähnlich reflektierte und anschauliche Auseinandersetzung mit dem Kriegsverlauf, die sich nach dem Ersten Weltkrieg etwa im Werk von Künstlern wie Otto Dix (1891–1969), Käthe Kollwitz (1867–1945) oder George Grosz (1893–1959) vollzog, blieb in den ersten Jahren nach 1945 weitestgehend aus. Die dokumentarische Wiedergabe der urbanen Kriegsfolgen wurde durch die Fotografie übernommen, sodass sich die bildende Kunst gesellschaftlichen Themen der Verarbeitung widmete.
#closedbutopen-Beitrag zum 75. Todestag
von Käthe Kollwitz
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Zertrümmerte Städte, ausgebrannte Museen.
Viele Maler sind Augenzeugen, aber nur wenige zeichnen das Gesehene auf.“
Werner Hofmann zum Jahr 1945 und der deutschen Nachkriegskunst, in: Kat. Kunst in Deutschland 1898-1973, Hamburger Kunsthalle 1973, o.S.
Die bildkünstlerische Aufarbeitung der deutschen Schuld wich Darstellungen der Schwere des Nachkriegsalltags, einem Gemisch aus Trauer, Armut, Güterknappheit, Hungersnot und Gefangenschaften, sowie der zerbombten Städten. Es entstand ein bildliches Kompendium der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung während der Trümmerjahre, das die Schwierigkeit, das Gegenwärtige abzubilden, dokumentiert. Die bildende Kunst kurz nach 1945 in Deutschland zeigt eher eine Alltagsbewältigung als eine Vergangenheitsverarbeitung.
Es sind Klagebilder, wie die Ruinen von Otto Fischer-Lamberg (1886–1963), die das Schicksal vieler deutscher Großstädte beschreiben. Der während des Nationalsozialismus als „entartet“ diffamierte Künstler Magnus Zeller (1888–1972) zeichnet eine emotionalere Verarbeitung in seiner 1946 entstandenen Grafik gleichen Titels. Die Seelen der Verstorbenen steigen als verzerrte Köpfe mit schreckensverzogenen Gesichtern aus den Ruinen der bombardierten Häuser hervor und schweben über der Trümmerlandschaft des „Dritten Reichs“. Auf dem Gemälde Das Ende von Max Langer (1897–1985) aus dem Jahr 1946 spielen sich die Folgen des Krieges auf einer Bühne ab, hinter deren Vorhang der Tod die Szene beobachtet.
Neben der Thematisierung der unsäglichen Zerstörungen beschäftigen sich aber auch zahlreiche Künstler mit Themen der Zuversicht und des Wiederaufbaus. Die Stralsunder KünstlerinEdith Dettmann (1898–1987) verbildlichte die Gegenwart ihrer Stadt nach den Luftangriffen vom 6. Oktober 1944, bei denen fast die Hälfte des städtischen Wohnraums zerstört wurden: Schuttberge, soweit das Auge reicht und der Bildrahmen es zulässt. Inmitten dieses dunklen Schutts der Vergangenheit ein heller Hoffnungsschein: der Wiederaufbau von Wohnhäusern! Die helle Strahlkraft des Gebäudekomplexes, wovon zwei Häuser bereits ihr Richtfest feiern konnten, stellt die Trümmerhaufen in den Schatten und ist Zeichen für einen Neuanfang, der mit Wiederaufbau und Neuordnung einhergeht. Die Kunst der Trümmerzeit, die in den ersten Jahren nach der Befreiung entsteht, liefert Zeugnisse der bildschöpferischen Verarbeitung der Kriegsfolgen und Umbruchszeit, aber auch der Neuorientierung und der mit dem Wiederaufbau beginnenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Die Aufteilung des Deutschen Reiches unter den Siegermächten Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich, die Spaltung Deutschlands in Ost und West und der daraus entstandene Konflikt seit dem Ende der 1940er Jahre brachten in den folgenden Jahrzehnten in beiden Teilen des Landes eine unterschiedliche Vergangenheitsverarbeitung in der bildenden Kunst mit sich, die im Osten in der politisch motivierten realistischen Kunst mündete und im Westen die abstrakte Kunst forcierte.
Wettbewerb
„Denkstein für die Opfer des Faschismus“
Bereits im Dezember 1945 schrieb die Stadt Halle (Saale) einen Wettbewerb für einen „Denkstein für die Opfer des Faschismus“ aus, welcher gegenüber dem Gerichtsgebäude am Hansering anstelle des raumgreifenden Kaiser-Wilhelm-Denkmals seinen Standort finden und an die psychischen und physischen Leiden der Opfer des Nationalsozialismus erinnern, zugleich aber auch Hoffnung und Zuversicht auf eine bessere Zukunft versprechen sollte. Laut Wettbewerbsaufruf waren „ohne Einschränkung alle deutschen Bildhauer und Architekten [teilnahmeberechtigt], soweit sie von den zuständigen Behörden zur Berufsausübung zugelassen waren“.
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„Schon im Dezember 1945 sind die Bemühungen der Bauverwaltung Halle belegt, den Preußenring als Hansaring neu zu gestalten. Anstelle des Kaiser-Wilhelm-Denkmals mit Bismarck und Moltke, das aufgrund des alliierten Kontrollratsbeschlusses abgerissen wurde, sollte ein ‚Denkstein für die Opfer des Faschismus’ gegenüber dem Gerichtsgebäude errichtet werden. Auftraggeber der Ausschreibung vom 16. April 1946 war der Ausschuss ‚Opfer des Faschismus’ der Stadt Halle an der Saale […] im Einvernehmen mit dem Magistrat. Teilnahmeberechtigt waren ohne Einschränkung alle deutschen Bildhauer und Architekten, soweit sie von den zuständigen Behörden zur Berufsausübung zugelassen sind. […]. Im besonderen werden diejenigen […] aufgefordert, die an sich selbst das Erlebnis des Häftlings der Konzentrationslager oder Geheimen Staatspolizei ertragen haben. […] Mit dem Denkmal sollte etwas ganz Neuartiges geschaffen werden. Den Wettbewerbsteilnehmern wird dringend empfohlen, sich die Erlebnisberichte von Häftlingen oder in die Veröffentlichungen über die Konzentrationslager zu vertiefen, um die körperlichen Leiden und seelischen Qualen der Häftlinge künstlerisch gestalten zu können. Im Denkmal soll aber auch die Zuversicht des Häftlings auf eine bessere Zukunft und der stolze Glaube zum Ausdruck kommen, dass seine Leiden nicht umsonst waren. Eine derartige Sinnsetzung des ‚nicht umsonst’ ist bereits von den Denkmalssetzungen nach dem Ersten Weltkrieg bekannt. Sie verbindet den Tod und die Trauer der Gegenwart programmatisch mit der für die Zukunft eingeforderten Erinnerung als Aufforderung zu weiterem Kampf.
Am 22. September 1946 wurde zwar feierlich der Grundstein gelegt, aber das Preisgericht war trotz 41 eingesandter Vorschläge nicht zufrieden. In einer zweiten Runde gingen Aufforderungen an Georg Kolbe, Richard Scheibe - selbst Jurymitglied - und an Karl Albiker, drei Bildhauer also, die auch während des Nationalsozialismus öffentliche Aufträge erhalten hatten. Nach einer anfänglichen Favorisierung des Entwurfs Albikers entschied sich der baukünstlerische Ausschuss in Halle in der zweiten Sitzung einstimmig für den Kolbes. Diesen zu realisieren, lehnte der Rat der Stadt Halle jedoch mit der Begründung ab, dass alle drei Denkmalsentwürfe nicht vollkommen den Anforderungen an ein zeitloses Werk entsprächen. Zwei Monate später beschloss der Rat der Stadt den Ankauf einer zweieinhalb Meter hohen Aktskulptur des Dresdner Bildhauers Herbert Volwahsen und ihre Aufstellung auf dem Hansaring bis zum 31.07.1948. Zumindest thematisch unterschied diese sich nicht wesentlich von Albikers und Kolbes Arbeiten.“
zitiert aus: Kathrin Hoffman-Curtius: Feminisierte Trauer und aufrichtige Helden. Figürliche Denkmäler der frühen Nachkriegszeit in Deutschland und Österreich, in: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Silke Wenk: Gedächtnis und Geschlecht. Deutungsmuster in Darstellungen des nationalsozialistischen Genozids, Berlin 2002, S. 365–367
In Rahmen der ersten Wettbewerbsrunde entstand das Ehrenmal für die Opfer des Faschismus von Waldemar Grzimek (1918–1984). Es besteht aus einer Zweifigurengruppe mit einem stehenden weiblichen Akt und einem liegenden männlichen Akt. „Am 22. September 1946 wurde zwar feierlich der Grundstein gelegt, aber das Preisgericht war trotz 41 eingesandter Vorschläge nicht zufrieden. In einer zweiten Runde gingen Aufforderungen an Georg Kolbe, Richard Scheibe – selbst Jurymitglied – und an Karl Albiker“.
Grzimeks Bronzeguss wurde Anfang der 1950er Jahre auf dem Gertraudenfriedhof in Halle (Saale) aufgestellt, kam anschließend für eine Grzimek-Ausstellung in das Museum und ist seither im Zentrum des Innenhofs der Moritzburg zu sehen.
Der Bildhauer Georg Kolbe (1877–1947) reichte in der zweiten Runde des Wettbewerbs seinen Gips-Entwurf einer Gruppe zweier männlicher Häftlinge ein. Ein vor Erschöpfung in die Knie gesunkener Gefangener wird durch einen Zweiten aufgefangen und gestützt. Kolbes Entwurf wurde zwar vom baukünstlerischen Ausschuss als Sieger des Wettbewerbs ausgewählt, doch lehnte der Rat der Stadt die Ausführung ab, da das Werk nicht den Anforderungen entsprach.
1957 ließ der Nachlass Kolbes das Modell in Bronze gießen. Diese konnte das Museum 2015 dank der Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Freunde- und Förder des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) für die Sammlung Plastik erwerben.
Letztlich realisiert wurde an der Stelle des geplanten Denkmals 1967 das der russischen Oktoberrevolution gewidmete Fahnenmonument. Nach der friedlichen Revolution 1989/90 wurde dieser Bereich des Hanserings neu gestaltet und das Monument im Zuge des Baus einer Tiefgarage etwas versetzt und mit einer neuen Farbgebung versehen.
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