06. November 2020
Entdeckungen #1
Ein kleines rätselhaftes Gemälde
Jedes Museum hat Werke in seiner Sammlung, die schwer zu identifizieren und zuzuordnen sind – so etwa, wenn Angaben zum dargestellten Motiv, zu Entstehungszeit und -ort eines Gemäldes nicht überliefert worden sind. Von dem österreichischen Stillleben- und Landschaftsmaler Carl Schuch (1846–1903) besitzt das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) drei Gemälde. Das kleinste und auf den ersten Blick unscheinbarste davon erwies sich als besonders rätselhaft.
Angekauft worden war es 1943 unter dem Titel „Alte Mühle (Hofecke)“, eine Bezeichnung, die lange Zeit nicht infrage gestellt wurde – erschien es doch auch unmöglich, eine solche Nahsicht auf ein paar architektonische Einzelheiten, wie sie sich an vielen Gebäuden im ländlichen Raum finden könnten, einem bestimmten Ort zuzuordnen. Überdies ist das Gemälde undatiert und so blieb unklar, wo und wann es gemalt worden war – „vor 1890“ wurde als Entstehungszeit angenommen.
Wie so oft half der Zufall. Die Reinigung und Neurahmung des Bildes führte zur intensiven Beschäftigung mit ähnlichen Gemälden des Künstlers. Beim Durchblättern des Katalogs der ersten Schuch-Retrospektive (1986) in der Kunsthalle Mannheim (danach im Lenbachhaus München) erwies es sich, dass das Bild in unserem Museum einen Ausschnitt aus einem größeren Gemälde darstellt, welches „Häuser am Gebirgsbach“ betitelt ist und während des Aufenthalts von Schuch in Prags im Pustertal 1877 entstanden war.
Die „Hofecke“ war somit klar als Hauseingang zu identifizieren. Dieses Gemälde, welches den Gebäudekomplex im Ganzen zeigt, gilt zwar derzeit als verschollen, aber andere Werke im öffentlichen Besitz (wie in der Kunsthalle Karlsruhe) zeigen weitere Details, die mit unserem Bild im Zusammenhang stehen.
Das Gemälde selbst ist von raffinierter Einfachheit: Nur wenige Elemente und Farbtöne bestimmen es. Ja, manches davon enträtselt erst der größere Zusammenhang der Gesamtansicht des Gebäudes – die unbestimmbare Form im linken Bildviertel erweist sich als niedriger Anbau unterhalb der Fensterreihe, vielleicht ein Backofen; das längliche dunkle Element am oberen rechten Bildrand ist eine Stalltür unmittelbar neben dem Hauseingang.
Der Bildausschnitt, der keine Rücksicht auf die vollständige Abbildung von Einzelheiten nimmt, erinnert an Fotoaufnahmen der Zeit. Aber noch ein anderes Detail zeigt den modernen, quasi abstrakten Charakter der Komposition: Die waagerechte Latte auf der rechten Seite ist im größeren Bild nach rechts weitergeführt und definiert damit die Stalltür als etwas deutlich dahinter Liegendes. In unserem kleinen Bild jedoch wurde der tatsächliche räumlicher Zusammenhang bewusst aufgegeben.
Schuch lebte von 1876 bis 1882 in den Wintermonaten in Venedig und verbrachte die Sommer im Gebirge oder an den Seen der Mark Brandenburg. Unser Bild entstand im Sommer 1877, als sich Schuch am Pragser Wildsee im Tiroler Pustertal (heute Provinz Alto Adige-Trentino, Italien) aufhielt.
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Von Carl Schuch befinden sich zwei weitere Werke in unserer Sammlung, zwei wunderbare moderne Stillleben. Das mit Krug, Glas und Obstschüssel ist ebenfalls Teil unserer neuen Sammlungspräsentation der Alten Meister, die wir Ende des Monats ebenfalls als virtuellen Rundgang online stellen werden.
Schuchs "Hauseingang in Prags" ist Teil unserer Sammlungs-
präsentation „Kunst des 16. bis 19. Jahrhunderts“.
Mehr zu den Werken kann man in unserem Blog-Beitrag
vom 23. Oktober 2020 nachlesen.