06. Februar 2021
Die Restaurierung des Rothenschirmbacher Altars
Teil V: Dorothea
Wie so viele alte Namen, ist auch der Name Dorothea heute sehr populär. Oft wird er auch in abgekürzter Form verwendet oder hat Modernisierungen und mundartliche Angleichungen erfahren, z. B. Dora, Dörte, Doreen, Dolly, Thea … Wenn man die beiden Teile des Namens Doro-Thea vertauscht, kommt man auf Theodora, was im osteuropäischen Raum häufig vorkommt. Diese Namensvariante ist dann männlich Theodor. Nicht nur Mädchen können also eine Gabe Gottes sein, denn das bedeutet dieser Name: Doron (griechisch) ist die Gabe, das Geschenk, theos bzw. thea Gott bzw. Göttin.
Unter den aus der Geschichte bekannten Dorotheen sei die in Quedlinburg geborene und als Ärztin bekannt gewordene Dorothea von Erxleben genannt, die als erste Frau Medizin studierte und an der Universität Halle (Saale) 1741 auf Anweisung Friedrich des Großen promoviert wurde. Auch unsere derzeitige Bundeskanzlerin, die als erstes den schönen Namen Angela führt, was Engel bedeutet, heißt mit ihrem kaum bekannten zweiten Vornamen Dorothea.
Der 6. Februar ist der Gedenktag der heiligen Dorothea. Mit den Heiligen Barbara, Katharina und Margareta gehört Dorothea zu den vier heiligen Jungfrauen, den Virgines Capitales, die oft die Gottesmutter Maria begleiten und sie in Marienaltären umringen – so auch in unserem Rothenschirmbacher Altar, bei dem Dorothea im Mittelschrein rechts unten steht. Nach ihrer Restaurierung muss sie jedoch, wie die anderen Altarfiguren auch, noch einige Zeit in einer Vitrine liegen bleiben, bis der Schrein mit seinen Tafelgemälden auf der Rückseite vollständig restauriert ist und alle Figuren mit neuen Befestigungen wieder an ihren Plätzen angebracht werden können.
Legende
Von der heiligen Dorothea von Cäsarea (heute Kayseri in der Türkei/Zentralanatolien) berichtet die Überlieferung, dass sie um 280 bis 290 als Tochter des reichen, römischen Senators Dorus und seiner Frau Thea geboren wurde – ihr Name ist also auch aus den Namen ihrer Eltern zusammengesetzt. Der vornehme Römer aus einer alten Familie war mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern Christe und Calliste vor der Verfolgung der frühen Christen aus Rom nach Cäsarea geflohen. Diokletian, der von 284 bis 305 römischer Kaiser war, verschärfte die Verfolgung der Christen. Aus dieser Zeit rühren viele der Legenden her, die sich um besondere Mitglieder der frühen Christengemeinde im Römischen Reich oder auch um fiktive Gestalten gebildet haben und von Folterungen und Todesurteilen berichten.
Dorotheas Legende ähnelt in ihren Grundzügen den Erzählungen über die anderen heiligen Jungfrauen: Sie war außerordentlich schön, klug und fromm. Als sie die Werbung des Präfekten der Provinz, Sabricius, mit der Begründung zurückwies, dass sie Christin sei und nur Christus allein angehören wolle, versuchte er, sie von ihrem Glauben abzubringen. Sie widersetzte sich ihm jedoch, sodass er Anklage gegen sie erhob und sie verschiedenen Folterungen unterziehen ließ: Er ließ sie in heißes Öl tauchen, sperrte sie ohne Nahrung und Wasser ein, ließ sie von Pferden zerren, geißeln und mit Fackeln brennen. Doch sie überstand jede Folter, ihre Wunden heilten über Nacht und sie wurde noch schöner als zuvor. Als ihr schließlich mit dem Tod gedroht wurde, antwortete sie, dass sie ihn aus Liebe zu Christus gern erleiden wolle.
Bis dahin ähnelt die Legende der Dorothea denen der anderen heiligen Jungfrauen, doch mit der Fortsetzung, wie sie immer wieder von Gott beschützt wurden und schließlich doch starben, bekommt jede eine eigene Version. Dorothea, so berichtet ihre Legende, sagte nämlich, dass sie sich auf den himmlischen Garten ihres Herrn voller ewiger Blumen und Früchte freue. Der Schreiber Theophilus bat sie höhnisch, ihm doch ein Körbchen mit Früchten und Blumen aus dem Garten ihres Gemahls zu schicken. Als Dorothea zur Enthauptung niederkniete, erschien ein schöner Knabe mit einem Korb voller Früchte und Blumen. Sie schickte ihn zu Theophilus, der sich nun ebenfalls zum Christentum bekannte, gemartert und hingerichtet wurde. Dorotheas Tod wird mit dem Jahr 304 oder 305 n. Chr. angegeben.
Dorothea in den „Sieben Legenden“ von Gottfried Keller
Gottfried Keller (1819‒1890) hat in seinen Sieben Legenden, die erstmals 1872 erschienen, die der heiligen Dorothea in seiner eigenen Deutung erzählt.
Theophilus und Dorothea sind ineinander verliebt, doch sie bringen es nicht über sich, einander ihre Gefühle zu gestehen. Als Dorothea dann von einem himmlischen Bräutigam zu sprechen beginnt, wird Theophilus so eifersüchtig, dass er sie als Christin verhaften lässt und ihrer Folter zuschaut.
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»Tut es weh, Dorothea?« sagte er schmerzlich lächelnd, im Begriffe, ihre Bande zu durchschneiden. Aber sie antwortete, plötzlich wie von allem Schmerz verlassen und von größter Wonne erfüllt: »Wie sollte es weh tun, Theophilus? Das sind ja die Rosen meines vielgeliebten Bräutigams, auf denen ich liege! Sieh, heute ist meine Hochzeit!«
Gleich einem feinen lieblichen Scherze schwebte es um ihre Lippen, während ihre Augen voll Seligkeit auf ihn blickten. Ein überirdischer Glanz schien sie samt ihrem Lager zu verklären; eine feierliche Stille verbreitete sich, Theophilus ließ das Schwert sinken, warf es weg und trat wiederum beschämt und betreten zurück, wie an jenem Morgen in dem Garten am Meere.
Da brannte die Glut aufs neue, Dorothea seufzte auf und verlangte nach dem Tode. Der wurde ihr denn auch gewährt, so dass sie auf den Richtplatz hinausgeführt wurde, um dort enthauptet zu werden.
Leichten Schrittes ging sie einher, gefolgt von dem gedankenlosen und lärmenden Volke. Sie sah den Theophilus am Wege stehen, der kein Auge von ihr wandte. Ihre Blicke begegneten sich, Dorothea stand einen Augenblick stille und sagte anmutig zu ihm: »O Theophilus, wenn du wüsstest, wie schön und herrlich die Rosengärten meines Herren sind, in welchen ich nach wenig Augenblicken wandeln werde, und wie gut seine süßen Äpfel schmecken, die dort wachsen, du würdest mit mir kommen!«
Da erwiderte Theophilus bitter lächelnd: »Weißt du was, Dorothea? Sende mir einige von deinen Rosen und Äpfeln, wenn du dort bist, zur Probe!«
Da nickte sie freundlich und zog ihres Weges weiter.
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Gottfried Keller, Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 5, Berlin 1958–1961, S. 400-409
Ikonografie
Aufgrund der Legende wird Dorothea meist mit einem Früchte- und Blumenkorb dargestellt, manchmal von einem Knaben oder Engel begleitet und kann auch ein Schwert, einen Palmzweig oder eine Lilie als Zeichen ihres Martyriums tragen. Die Figur der Dorothea im Rothenschirmbacher Altar hält eine braune Henkelschale mit einem Flechtmuster in ihren Händen, darin liegen kleine kugelartige Früchte. An ihrer Krone hat sich noch eine Zacke vollständig erhalten, die zeigt, wie hoch die Kronen aller heiligen Jungfrauen um Maria ursprünglich waren ‒ alle Zacken sind heute bis auf diese eine abgebrochen.
Dorothea gilt als Patronin der Blumengärtner und -händler, der Bierbrauer, Bergleute, der Bräute, der Neuvermählten und Wöchnerinnen. Sie wird zum Schutz gegen Armut, falsche Anschuldigungen, Geburtswehen und Todesnöte angerufen. Mit ihrer sich besonders im 14. Jahrhundert verbreitenden Verehrung sind auch in Deutschland viele Volksbräuche verbunden, etwa das „Dorotheensingen“ von Kindern, die dafür beschenkt wurden.
Ob die Bauernregeln, die sich an Dorothea und ihren Tag, den 6. Februar, knüpfen, heute noch zutreffen? „Die heilige Dorothee watet gerne durch den Schnee“ oder „Dorothea mit einem Korb voll Rosen lässt den Winter nochmals tosen“? Lassen wir uns überraschen …
Weitere Informationen
Die Restaurierung wird ermöglicht dank der Unterstützung durch:
und private Spenden