06. April 2020
Gustav Weidanz
1889–1970
#closedbutopen
In diesen Tagen sollte in unserem Museum auch eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst von Hannah Schneider eröffnet werden, die im vergangenen Jahr den Gustav-Weidanz-Preis zugesprochen bekam. Dieser Preis wird seit 1975 von der Gustav-Weidanz-Stiftung an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle turnusmäßig verliehen.
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„Hannah Schneider – Dancing in a Curtain"
Im Rahmen der für den 8. April 2020 geplanten Vernissage sollte die Künstlerin den Preis verliehen bekommen. In der nächsten Woche stellen wir die Preisträgerin vor; heute geht es zunächst einmal um den Namensgeber des Preises: Gustav Weidanz.
© VG Bild-Kunst für die Werke von Karl Hofer, Oskar Kokoschka und Karl Schmidt-Rottluff, © Nachlass Gustav Weidanz
© VG Bild-Kunst für die Werke von Lyonel Feininger und Christian Schad, © Nachlass Gustav Weidanz, © Estate of T. Lux Feininger
Wenn ein Bildhauer eine Kanne gestaltet, dann kann es sein, dass sie etwas von einer Plastik hat. Und wenn ein Bildhauer, der Gefäße gestaltet, eine Figur formt, dann kann es sein, dass sie etwas von einer Vase hat.
Gustav Weidanz war ein Bildhauer, der von 1916 bis 1959, also in mehr als vierzig Jahren, während derer er als Lehrer an der Kunstschule in der Burg Giebichenstein tätig war, viele verschiedenartige Werke entworfen bzw. geschaffen hat: außer Plastiken auch Geschirr, Öfen, Handpuppen und Marionetten, ornamentale und figürliche Reliefs und zahlreiche Medaillen.
Nach einer Ausbildung als Ziseleur und einem Bildhauerstudium in Hamburg und Berlin, kam er 1916 an die ein Jahr zuvor gegründete Kunstschule in der Burg Giebichenstein, wo er die neu gegründete Fachklasse für Plastik aufbaute. In den 1920er Jahren leitete er die Bildhauerklasse und die keramische Werkstatt. In dieser Zeit entstanden eine Reihe von Gefäßen und Services, die nicht auf der Töpferscheibe gedreht, sondern in Formen gedrückt oder wie eine Plastik frei aufgebaut wurden und die Weidanz’ Sinn für Proportion, Funktionalität und Oberfläche sichtbar machen. Beispiele seines Schaffens sind Teil unserer Sammlungspräsentation Wege der Moderne.
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WEGE DER MODERNE
Wasserkanne und Teetassen
mit Untertassen, 1922–24
Die Kanne ist ein Einzelstück und wie auch die Teetassen mit den Untertassen eine Schenkung der halleschen Bildhauerin Gertraud Möhwald (1929–2002), die zwischen 1951 und 1954 bei Weidanz studierte, an unser Museum im Jahr 1991. Die Kanne hat keinen Henkel, sondern ist so gestaltet, dass beim Ausschenken die linke Hand ihren schmalen Korpus von vorn hält, während die rechte an der Seite unter einen nach unten offenen Griff gelegt wird und sie nach vorn kippt. Auf diese Weise kann die große und gefüllt recht schwere Kanne mit dem breiten, spitz zulaufenden Ausguss beim Einschenken sicher geführt werden. Mit dem strahlenden Gelb ihrer Glasur zierte sie als Objekt jeden Tisch.
Weiblicher Torso, 1925
Der weibliche Torso dagegen ist nicht glasiert, vielmehr vermittelt der rotbraune Ton die Wärme sonnenbeschienener Erde. Der Schnitt in der Figur setzt etwa in Höhe der Knie an, sie wächst über die dicht zusammenstehenden Oberschenkel auf und rundet sich zu Hüften und Bauch. Dann zieht sich die Form sachte zur Taille ein, um sich über den kleinen Brüsten in den runden Schultern wieder zusammenzuziehen und in den Hals zu steigen, der sich in den unteren Bereich des Kopfes hinein öffnet – wie ein Gefäß. Der weibliche Leib als Vase ist eine seit frühen Kulturen auftretende Assoziation – ein Fruchtbarkeitssymbol. Gustav Weidanz schafft mit seinem Torso eine eigene, zugleich sinnliche wie auch formal strenge Version.
Ratshof, 1928/29
Ende der 1920er Jahre wirkte Gustav Weidanz an einem der repräsentativsten Bauprojekte der Saalestadt mit: der Errichtung des Erweiterungsbaus des Rathauses, des sogenannten Ratshofes. Dieser wurde 1929 nach Plänen des Stadtbaurats Wilhelm Joost gebaut. Der Bildhauer Gustav Weidanz gestaltete die Ecke des Gebäudes zur Leipziger Straße mit fünf großen Standfiguren in Bronze. Nachdem sie im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden waren, sind an ihrer Stelle seit 1983 wieder Nachbildungen zu sehen.
360-Grad-Panoram vom Marktplatz mit dem RatshofDer Ratshof auf www.moderne-halle.de
Wussten Sie, …
… dass es auch in unserer Außenstelle, im Plastik-Park Leuna, eine Arbeit von Gustav Weidanz gibt? Am zentralen Platz steht seine große Bronzegruppe Schwimmerinnen von 1963. Sie ist ein charakteristisches Beispiel für Weidanz’ Spätwerk nach dem Zweiten Weltkrieg im Gefüge der Kunst- und Kulturpolitik der DDR.
Hier geht's zur Seite des Plastikparks Leuna
Kennen Sie, …
… den Gänsebrunnen von Gustav Weidanz im halleschen Stadtteil Kröllwitz und seine Geschichte?
Ein Beitrag von TV:Halle berichtet von diesem Werk des Künstlers aus den 1930er Jahren.
TV-Halle: Beitrag vom 11.07.2018, Gänsebrunnen in Kröllwitz
Gustav Weidanz und das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
Weidanz verstarb 1970 in Halle (Saale). Testamentarisch hatte er die Burg Giebichenstein, seine jahrzehntelange Wirkungsstätte, als Alleinerbin eingesetzt. Damit vertritt die Kunsthochschule heute das Erbe und die Urheberrechte des Künstlers. Der Werke seines künstlerischen Nachlasses wurden in den 1970er Jahren von der Kunstschule in der Burg Giebichenstein an das Kunstmuseum in der Moritzburg übereignet. Seither bewahren wir in unseren Sammlungen zahlreiche Arbeiten des Künstlers.
Einige der Werke aus dem Nachlass des Künstlers hatten wir 2015 in unserer Ausstellung Moderne in der Werkstatt. 100 Jahre Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (16.11.2015–14.02.2016) präsentiert, darunter die grün glasierten Figuren vom Solbad Wittekind, die gelb glasierte Wasserkanne und etwas ganz Besonderes: Weidanz’ Marionetten.
Im Film über die Ausstellung sind sie ab Minute 2:43 zu sehen: Film: 100 Jahre Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Besprechung der Ausstellung von Barbara Wiegand auf Deutschlandfunk Kultur am 15.11.2015 Mehr erfahren
Mehr über Gustav Weidanz’ Leben und Werk erfahrt ihr auf unserer Website Protagonisten der Moderne in Halle (Saale) Mehr erfahren