04. März 2021
Ein vielversprechendes Frühwerk: Hermann Clemens Röseler
Ein Tisch oder eine Kommode, eine Vase oder eine Schale, vielleicht auch ein Teller – Hermann Clemens Röselers (1906–1934) „Kubistisches Stillleben“ lässt keine eindeutigen Gegenstände erkennen. Wie es für den Synthetischen Kubismus kennzeichnend ist, sind die Objekte zerteilt und aus mehreren Perspektiven zugleich dargestellt.
Der ursprünglich von Pablo Picasso (1881–1937) und Georges Braques (1882–1963) um 1906 entwickelte Kubismus war 1927, als Röseler das Gemälde schuf, längst Geschichte, ebbte er doch mit Beginn des Ersten Weltkrieges rasch ab. Röseler malte das Bild im Alter von 21 Jahren. Wie auch das undatierte, vermutlich kurz zuvor entstandene „Stillleben mit Zitrone“, das sich ebenfalls im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) befindet, ist es ein Beispiel für die Suche nach einer eigenen Position eines jungen Künstlers zu Beginn seiner Karriere. Durch Auseinandersetzung mit früheren Stilmitteln und Werken etablierter Künstler erwächst – im besten Fall – Eigenes.
Und tatsächlich geht das Gemälde Röselers über den Kubismus deutlich hinaus: Röseler verfolgte nicht das Ziel vieler kubistischer Maler, die vierte Dimension (simultan stattfindende Geschehnisse) darzustellen, sondern strebte nach Abstraktion. Insbesondere die linken Bildhälfte setzt sich überwiegend aus geometrischen, klar voneinander abgegrenzten Flächen zusammen und entbehrt jeder perspektivischen Anordnung.
Das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) verwahrt dank der „Karlheinz und Ilsemarie Steigerwald-Schenkung“, sie waren Onkel und Tante Röselers, seit 2015 insgesamt elf seiner Gemälde aus den frühen 1920er Jahren bis 1934 sowie vier Arbeiten auf Papier. Zugleich kamen mit dieser Schenkung auch sieben Werke T. Lux Feiningers (1910–2011), eines engen Freundes Röselers, ans Haus. Beide lernten sich am Bauhaus kennen. Dort studierte der in Koblenz geborene Röseler ab 1924 und war nach dem Vorkurs bei Josef Albers (1888–1976) und László Moholy-Nagy (1895–1946) ab April 1925 in der „Werkstatt für Wandmalerei“ und ab Oktober 1928 in der „Freien Malklasse“ eingeschrieben. Diese wurden geleitet von Wassily Kandinksy (1866–1944), zu dessen talentiertesten Schülern Röseler gehört haben soll.
Röseler und T. Lux Feininger waren Mitglieder der berühmten Bauhaus-Kapelle. Röseler spielte Posaune, Banjo und Piano, Feininger Banjo und Klarinette. Feininger hielt den Freund und Bandkollegen mehrfach in Fotografien fest.
Auf Ermutigung Röselers wandte sich Feininger, der bis dahin der Bühnenwerkstatt angehörte, 1929 ebenfalls der Malerei zu. Sein malerisches Frühwerk wird dominiert von Schiffsdarstellungen, einem Motiv, das Röseler bis dato mehrfach auf Leinwand gebannt hatte, so auch in drei 1927, 1928 und 1929 entstandenen Gemälden, die ebenfalls Teil der Schenkung sind. Alle drei zeichnen sich durch ihre konsequente Zusammensetzung geometrischer Formen in kräftigen Farben aus.
Nachdem Röseler im November 1931 sein Diplom erhielt, scheint er sich einer realistischeren und detailgetreueren, deutlich konservativeren Malweise zugewandt zu haben, wie drei weitere Werke aus der Schenkung verdeutlichen.
Nur drei Jahre nach seinem Diplom verstarb Hermann Clemens Röseler im Februar 1934 an den Folgen einer Tuberkulose und hinterließ ein vielversprechendes Frühwerk und die Ahnung, was aus ihm hätte werden können.
Einen Eindruck vom Schaffen Hermann Clemens Röselers erhalten Sie in unserer Sammlungspräsentation: Das „Kubistische Stillleben“ wird nach Wiederöffnung erstmals im Kontext der Sammlungspräsentation „Wege der Moderne. Kunst in Deutschland 1900–1945“ zu sehen sein.