04. Juli 2020
Max Klinger
(1857–1920)
Vor 100 Jahren, am 4. Juli 1920, starb der Maler, Bildhauer und Grafiker Max Klinger.
1857 in Leipzig geboren, studierte Klinger 1874 an der Karlsruher Kunstakademie und ab 1875 an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin. Neben zahlreichen Reisen hielt Klinger sich von 1883 bis 1886 in Paris und 1888 bis 1893 in Rom auf, von wo aus er in seine Geburtsstadt zurückkehrte. In den 1890er Jahren entwickelte Klinger sich zu einem der gefragtesten deutschen Künstler. Zahlreiche zahlreiche private und öffentliche Aufträge für monumentale Gemälde und Skulpturen sind Zeugnisse dieses Erfolges.
Von allen drei Schaffensbereichen Max Klingers bewahrt das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Beispiele:
Unter dem Eindruck eines 1883 erteilten ersten großen Auftrages, der Gestaltung eines kompletten Raumes in der Berliner Villa des Kammergerichtsreferendars Julius Albers‘, für den Klinger neben einem zehnteiligen Fries vier hohe, schmale Landschaftsgemälde schuf, entstand das im Format vergleichbare Gemälde Nemi, das 1908 mithilfe der Reinhold-Steckner-Stiftung für das kurz zuvor gegründete hiesige Museum erworben wurde.
Aus einem dunklen, unvollendeten Vordergrund, in dem das Ufer des in den Albaner Bergen gelegenen Nemisees auszumachen ist, wächst ein mächtiger Fels. Vor strahlend blauem Himmel steht auf dessen Plateau ein winziges, von Büschen flankiertes Gebäude, welches die Verschiedenartigkeit zwischen monumentaler Natur und von Menschen Geschaffenem verdeutlicht.
Während seines Aufenthaltes in Rom wandte Klinger sich zunehmend dem Arbeiten nach der Natur zu und schuf etwa zwanzig Damenbildnisse, die oftmals im Freien entstanden und sich so von der zeittypischen Salonmalerei unterscheiden. Das Thema ließ ihn auch nach seiner Rückkehr nach Leipzig nicht los, wie das 1894 entstanden Damenbildnis beweist dokumentiert. Dargestellt ist vermutlich die Malerin und Bildhauerin Cornelia Paczka-Wagner, mit der Klinger seit 1891 engen Kontakt pflegte und die er wiederholte Male bereits in Rom in Gemälden, Zeichungen und Aktstudien festgehalten hatte.
Auch drei plastische Werke Klingers befinden sich der Sammlung des Museums: Klinger setzte sich seit den 1880er Jahren autodidaktisch mit der Bildhauerei auseinander und trat damit erstmals im März 1893 im römischen Kunstverein an die Öffentlichkeit. Die Figur der Seherin Kassandra führte Klinger bereits 1886 als Halbfigur in Marmor mit einem Faltenwurf aus hellem Alabaster, Augen aus gelbem Bernstein und auf den Marmor gemalten Gesichtszügen aus. Sie ist eines der zahlreichen Beispiele für Klingers veristisch-polychromer Marmorfiguren, mit denen er sich aus der Kenntnis der ursprünglichen Bemalung antiker Skulpturen von der seinerzeit vorherrschenden weißen Skulptur abwandte. Dieses damals intensiv diskutierte künstlerische Vorgehen machte Klinger zu einem der Erneuerer der Bildhauerkunst. Sowohl die Darstellung der Kassandra als auch deren Material variierte Klinger in den Folgejahren, indem er diese in Stein und Bronze, teils mit Armen, teils mit unterschiedlichen Frisuren ausführt. Allen Varianten gemein ist die Hervorhebung der Augen der für die mit der Gabe der Vorhersehung ausgestatteten mythologische Figur.
Ein anderes plastisches Projekt Klingers fiel dem Ersten Weltkrieg und der anschließenden Inflation zum Opfer. Klinger erhielt 1913 den Auftrag für einen Brunnen vor dem neu erbauten Oberlandesgericht in Naumburg an der Saale. Er thematisierte die römische Göttin „Abundatia“ (lat. Überfluss), als liegenden weiblichen Akt mit einem mit Blumen und Früchten gefüllten Korb. Eine verkleinerte Version des bronzenen Modells (Museum der bildenden Künste, Leipzig) gelangte 1957 in die Sammlung des Museums und ist heute als Dauerleihgabe im Naumburger Oberlandesgericht zu besichtigen. Die Verwirklichung des Brunnens in Naumburg sollte erst lange nach Klingers Tod, 1998, stattfinden.
Klingers wichtigstes künstlerisches Gebiet, die Druckgrafik, ist in der Sammlung leider nur mit vier weniger bedeutenden Werken präsent. Insgesamt fertigte er etwa 400 Grafiken in teils hohen Auflagen an. Die handwerklich meisterlich ausgeführten Drucke entspringen zumeist einem ganz anderen Bilderkosmos als seine Gemälde und Skulpturen. Er schuf umfangreiche, phantasievolle Grafikzyklen mit teils skurrilen und alptraumhaft erscheinenden Darstellungen, denen häufig eine gehörige Portion Erotik innewohnt.
Zahlreiche grafische Arbeiten sind bis zum 16. August in der Ausstellung „Klinger 2020“ im Museum der bildenden Künste in Leipzig zu sehen, die Klingers gesamtes Schaffen im Kontext seiner Zeitgenossen zeigt.